Er zog alsobald eine neue warme Kappe über die Ohren, sezte den Hut darüber auf, nahm war- me Handschuh, und seinen Stab aus dem Kasten, und gieng. --
Ae -- was will doch der Großvater, daß er bey dem schlechten Wetter zu uns kommt? fragte ihn ein jedes, wo er zusprach -- und wo er zu- sprach, war er der liebe alte Mann, der jedermann gedient, und den jedermann in Ehren hielt -- er war der Reichste, und obgleich schon alt, so war kein Haus, in welchem Mann und Frau, so bald er sagte was er wollte, einander nicht ansahen, und Winke sich gaben, es gelte sich zu besinnen, was man antworte, und man dörfe es ihm nicht ab- schlagen. --
Er bettelte nicht, er sagte die Sach, und sezte hinzu, die Sache ist so nöthig und gut, und es sind unser über die zwanzig Bauern, die das wohl kön- nen, und die, wenn sie es nicht thun, an ihren Kindern und am ganzen Dorf auf eine leichtfertige Art sich versündigen -- ich hoffe, ihr schlaget es mir nicht ab; aber ich sage es zum voraus, wenn mir einer abschlagt, so muß es doch seyn; ich will es denn für ihn thun, und seinen Kindern und dem Dorf zum Allmosen geben, und es muß mir denn so eingeschrieben werden. -- Aber es ließ sich das Niemand zum Allmosen einschreiben -- mancher
Er zog alſobald eine neue warme Kappe uͤber die Ohren, ſezte den Hut daruͤber auf, nahm war- me Handſchuh, und ſeinen Stab aus dem Kaſten, und gieng. —
Ae — was will doch der Großvater, daß er bey dem ſchlechten Wetter zu uns kommt? fragte ihn ein jedes, wo er zuſprach — und wo er zu- ſprach, war er der liebe alte Mann, der jedermann gedient, und den jedermann in Ehren hielt — er war der Reichſte, und obgleich ſchon alt, ſo war kein Haus, in welchem Mann und Frau, ſo bald er ſagte was er wollte, einander nicht anſahen, und Winke ſich gaben, es gelte ſich zu beſinnen, was man antworte, und man doͤrfe es ihm nicht ab- ſchlagen. —
Er bettelte nicht, er ſagte die Sach, und ſezte hinzu, die Sache iſt ſo noͤthig und gut, und es ſind unſer uͤber die zwanzig Bauern, die das wohl koͤn- nen, und die, wenn ſie es nicht thun, an ihren Kindern und am ganzen Dorf auf eine leichtfertige Art ſich verſuͤndigen — ich hoffe, ihr ſchlaget es mir nicht ab; aber ich ſage es zum voraus, wenn mir einer abſchlagt, ſo muß es doch ſeyn; ich will es denn fuͤr ihn thun, und ſeinen Kindern und dem Dorf zum Allmoſen geben, und es muß mir denn ſo eingeſchrieben werden. — Aber es ließ ſich das Niemand zum Allmoſen einſchreiben — mancher
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0144"n="126"/><p>Er zog alſobald eine neue warme Kappe uͤber<lb/>
die Ohren, ſezte den Hut daruͤber auf, nahm war-<lb/>
me Handſchuh, und ſeinen Stab aus dem Kaſten,<lb/>
und gieng. —</p><lb/><p>Ae — was will doch der Großvater, daß er<lb/>
bey dem ſchlechten Wetter zu uns kommt? fragte<lb/>
ihn ein jedes, wo er zuſprach — und wo er zu-<lb/>ſprach, war er der liebe alte Mann, der jedermann<lb/>
gedient, und den jedermann in Ehren hielt — er<lb/>
war der Reichſte, und obgleich ſchon alt, ſo war<lb/>
kein Haus, in welchem Mann und Frau, ſo bald<lb/>
er ſagte was er wollte, einander nicht anſahen, und<lb/>
Winke ſich gaben, es gelte ſich zu beſinnen, was<lb/>
man antworte, und man doͤrfe es ihm nicht ab-<lb/>ſchlagen. —</p><lb/><p>Er bettelte nicht, er ſagte die Sach, und ſezte<lb/>
hinzu, die Sache iſt ſo noͤthig und gut, und es ſind<lb/>
unſer uͤber die zwanzig Bauern, die das wohl koͤn-<lb/>
nen, und die, wenn ſie es nicht thun, an ihren<lb/>
Kindern und am ganzen Dorf auf eine leichtfertige<lb/>
Art ſich verſuͤndigen — ich hoffe, ihr ſchlaget es<lb/>
mir nicht ab; aber ich ſage es zum voraus, wenn<lb/>
mir einer abſchlagt, ſo muß es doch ſeyn; ich will<lb/>
es denn fuͤr ihn thun, und ſeinen Kindern und dem<lb/>
Dorf zum Allmoſen geben, und es muß mir denn<lb/>ſo eingeſchrieben werden. — Aber es ließ ſich das<lb/>
Niemand zum Allmoſen einſchreiben — mancher<lb/></p></div></body></text></TEI>
[126/0144]
Er zog alſobald eine neue warme Kappe uͤber
die Ohren, ſezte den Hut daruͤber auf, nahm war-
me Handſchuh, und ſeinen Stab aus dem Kaſten,
und gieng. —
Ae — was will doch der Großvater, daß er
bey dem ſchlechten Wetter zu uns kommt? fragte
ihn ein jedes, wo er zuſprach — und wo er zu-
ſprach, war er der liebe alte Mann, der jedermann
gedient, und den jedermann in Ehren hielt — er
war der Reichſte, und obgleich ſchon alt, ſo war
kein Haus, in welchem Mann und Frau, ſo bald
er ſagte was er wollte, einander nicht anſahen, und
Winke ſich gaben, es gelte ſich zu beſinnen, was
man antworte, und man doͤrfe es ihm nicht ab-
ſchlagen. —
Er bettelte nicht, er ſagte die Sach, und ſezte
hinzu, die Sache iſt ſo noͤthig und gut, und es ſind
unſer uͤber die zwanzig Bauern, die das wohl koͤn-
nen, und die, wenn ſie es nicht thun, an ihren
Kindern und am ganzen Dorf auf eine leichtfertige
Art ſich verſuͤndigen — ich hoffe, ihr ſchlaget es
mir nicht ab; aber ich ſage es zum voraus, wenn
mir einer abſchlagt, ſo muß es doch ſeyn; ich will
es denn fuͤr ihn thun, und ſeinen Kindern und dem
Dorf zum Allmoſen geben, und es muß mir denn
ſo eingeſchrieben werden. — Aber es ließ ſich das
Niemand zum Allmoſen einſchreiben — mancher
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/144>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.