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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Neuheit und des Theilnehmens vorbey war --
waren die Leute bald da -- daß ein jeder, just so
wie ihm sein Kopf stund, und wie ihm sein Herz
schlug, sich diese oder jene Gedanken machte, und
diese oder jene Vorstellungen hatte, wie es dann
auch kommen werde, wann er todt sey? --

Und schneller als der Faden der Spinne, ent-
spannen sich in den Köpfen der Leute die sonder-
barsten Gedanken -- und reger als das Krosseln
vieler Krebse in einem Kratten regten sich in ihren
Herzen die sonderbarsten Begierden, und verdeck-
ter als hinter Busch und Schilf und unter den
Halmen des Roggens ein Ausreißer da liegt, zit-
tert sich zu zeigen, und doch immer weiters vorrückt
wohin er zielet, so steckte hinter dem Spinnen der
sonderbaren Gedanken, und hinter dem Regen der
sonderbaren Begierden ein abscheulicher Wunsch,
der sich zitterte zu zeigen, und doch immer weiter
vorrückte, wohin er zielte. --

Wer etwas gerne gehabt hätte, und weil er
lebte, nicht dazu kommen konnte, der dachte, ich
komme dann dazu. --

Wer etwas nicht gerne sah, oder nicht gerne
hatte, und nicht ändern konnte, weil er lebte, der
dachte, es hört dann auf. --

Das war der Anfang -- dann kamen sie wei-
ter zu denken -- in Gottes Namen, er ist auch ein

Neuheit und des Theilnehmens vorbey war —
waren die Leute bald da — daß ein jeder, juſt ſo
wie ihm ſein Kopf ſtund, und wie ihm ſein Herz
ſchlug, ſich dieſe oder jene Gedanken machte, und
dieſe oder jene Vorſtellungen hatte, wie es dann
auch kommen werde, wann er todt ſey? —

Und ſchneller als der Faden der Spinne, ent-
ſpannen ſich in den Koͤpfen der Leute die ſonder-
barſten Gedanken — und reger als das Kroſſeln
vieler Krebſe in einem Kratten regten ſich in ihren
Herzen die ſonderbarſten Begierden, und verdeck-
ter als hinter Buſch und Schilf und unter den
Halmen des Roggens ein Ausreißer da liegt, zit-
tert ſich zu zeigen, und doch immer weiters vorruͤckt
wohin er zielet, ſo ſteckte hinter dem Spinnen der
ſonderbaren Gedanken, und hinter dem Regen der
ſonderbaren Begierden ein abſcheulicher Wunſch,
der ſich zitterte zu zeigen, und doch immer weiter
vorruͤckte, wohin er zielte. —

Wer etwas gerne gehabt haͤtte, und weil er
lebte, nicht dazu kommen konnte, der dachte, ich
komme dann dazu. —

Wer etwas nicht gerne ſah, oder nicht gerne
hatte, und nicht aͤndern konnte, weil er lebte, der
dachte, es hoͤrt dann auf. —

Das war der Anfang — dann kamen ſie wei-
ter zu denken — in Gottes Namen, er iſt auch ein

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[107/0125] Neuheit und des Theilnehmens vorbey war — waren die Leute bald da — daß ein jeder, juſt ſo wie ihm ſein Kopf ſtund, und wie ihm ſein Herz ſchlug, ſich dieſe oder jene Gedanken machte, und dieſe oder jene Vorſtellungen hatte, wie es dann auch kommen werde, wann er todt ſey? — Und ſchneller als der Faden der Spinne, ent- ſpannen ſich in den Koͤpfen der Leute die ſonder- barſten Gedanken — und reger als das Kroſſeln vieler Krebſe in einem Kratten regten ſich in ihren Herzen die ſonderbarſten Begierden, und verdeck- ter als hinter Buſch und Schilf und unter den Halmen des Roggens ein Ausreißer da liegt, zit- tert ſich zu zeigen, und doch immer weiters vorruͤckt wohin er zielet, ſo ſteckte hinter dem Spinnen der ſonderbaren Gedanken, und hinter dem Regen der ſonderbaren Begierden ein abſcheulicher Wunſch, der ſich zitterte zu zeigen, und doch immer weiter vorruͤckte, wohin er zielte. — Wer etwas gerne gehabt haͤtte, und weil er lebte, nicht dazu kommen konnte, der dachte, ich komme dann dazu. — Wer etwas nicht gerne ſah, oder nicht gerne hatte, und nicht aͤndern konnte, weil er lebte, der dachte, es hoͤrt dann auf. — Das war der Anfang — dann kamen ſie wei- ter zu denken — in Gottes Namen, er iſt auch ein

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/125>, abgerufen am 24.11.2024.