Der Junker ließ sie munter reden; gab genau von Wort zu Wort Achtung was sie sage; aber nicht ein Wort Antwort. -- Im Anfang meynte sie, das mache nichts, es werde schon kommen: aber bald verwirrte es sie, daß es nicht mehr gut fort wollte, und die Sachen ihr durch einander kamen, wie sie ihr nicht durch einander kommen sollten.
Je mehr sie sich verwirrte, je steifer sah' sie Arner an.
Das Herz entfiel ihr; sie dorfte nicht mehr; sie kehrte die Verläumdungen um, entschul- digte was sie verläumdet, stotterte im Reden, schlug die Augen nieder, verlohr ihre Farb und wußte nicht was sie mit ihren Händen machen wollte.
Da er sie so weit gebracht, that er endlich den Mund auf, und fragte: bist du jezt fertig?
Es starrte ihr im Mund, was sie reden wollte: -- Arner klinglete: -- ließ die Au- dienz-Thür speer aufmachen, und befahl denn vor allen Leuthen, die da stuhnden, dem Har- schier, daß Mensch am hellen Mittag heim und das Dorf auf- und abzuführen, damit es ein- andermal lehrne daheim bleiben und sein Dorf und seine Nachbarn nicht ohne Noth und Ur- sach verläumden.
Es war dem armen Mutterkind fast ohn- mächtig, da das begegnete; es zitterte sprach-
Der Junker ließ ſie munter reden; gab genau von Wort zu Wort Achtung was ſie ſage; aber nicht ein Wort Antwort. — Im Anfang meynte ſie, das mache nichts, es werde ſchon kommen: aber bald verwirrte es ſie, daß es nicht mehr gut fort wollte, und die Sachen ihr durch einander kamen, wie ſie ihr nicht durch einander kommen ſollten.
Je mehr ſie ſich verwirrte, je ſteifer ſah’ ſie Arner an.
Das Herz entfiel ihr; ſie dorfte nicht mehr; ſie kehrte die Verlaͤumdungen um, entſchul- digte was ſie verlaͤumdet, ſtotterte im Reden, ſchlug die Augen nieder, verlohr ihre Farb und wußte nicht was ſie mit ihren Haͤnden machen wollte.
Da er ſie ſo weit gebracht, that er endlich den Mund auf, und fragte: biſt du jezt fertig?
Es ſtarrte ihr im Mund, was ſie reden wollte: — Arner klinglete: — ließ die Au- dienz-Thuͤr ſpeer aufmachen, und befahl denn vor allen Leuthen, die da ſtuhnden, dem Har- ſchier, daß Menſch am hellen Mittag heim und das Dorf auf- und abzufuͤhren, damit es ein- andermal lehrne daheim bleiben und ſein Dorf und ſeine Nachbarn nicht ohne Noth und Ur- ſach verlaͤumden.
Es war dem armen Mutterkind faſt ohn- maͤchtig, da das begegnete; es zitterte ſprach-
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Der Junker ließ ſie munter reden; gab
genau von Wort zu Wort Achtung was ſie
ſage; aber nicht ein Wort Antwort. — Im
Anfang meynte ſie, das mache nichts, es
werde ſchon kommen: aber bald verwirrte es
ſie, daß es nicht mehr gut fort wollte, und
die Sachen ihr durch einander kamen, wie
ſie ihr nicht durch einander kommen ſollten.
Je mehr ſie ſich verwirrte, je ſteifer ſah’
ſie Arner an.
Das Herz entfiel ihr; ſie dorfte nicht mehr;
ſie kehrte die Verlaͤumdungen um, entſchul-
digte was ſie verlaͤumdet, ſtotterte im Reden,
ſchlug die Augen nieder, verlohr ihre Farb
und wußte nicht was ſie mit ihren Haͤnden
machen wollte.
Da er ſie ſo weit gebracht, that er endlich
den Mund auf, und fragte: biſt du jezt fertig?
Es ſtarrte ihr im Mund, was ſie reden
wollte: — Arner klinglete: — ließ die Au-
dienz-Thuͤr ſpeer aufmachen, und befahl denn
vor allen Leuthen, die da ſtuhnden, dem Har-
ſchier, daß Menſch am hellen Mittag heim und
das Dorf auf- und abzufuͤhren, damit es ein-
andermal lehrne daheim bleiben und ſein Dorf
und ſeine Nachbarn nicht ohne Noth und Ur-
ſach verlaͤumden.
Es war dem armen Mutterkind faſt ohn-
maͤchtig, da das begegnete; es zitterte ſprach-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/82>, abgerufen am 27.11.2024.
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