was sie immer unter Menschenhänden sahen, dachten sie nicht mehr, daß sie es nicht auch in ihre nehmen dörfen.
Es ist zum Exempel ein Meister Enger, ein Uhrenmacher im Dorf, der bey 20 Jahren da gesessen, ohne daß je ein Bauerbub in seine Werkstatt gekommen, dieses oder jenes darinn zu betrachten, oder etwann selber anzugreifen und zu probieren.
Aber jezt seitdem der Glüphj ihnen beyge- bracht, daß sie Händ, und Ohren und Nasen haben vollends wie andere Leuthe, steken ihrer mehr als ein halb Duzend Nachbarsbuben dem Meister alle Abend im Haus, und lassen ihm keine Ruh, bis er sie dies und das in die Hand nehmen und probieren läßt.
Die Buben griffen es auch alle mit einer Art an, daß der Meister sich nicht genug verwun- dern konnte, und dem Schulmeister sagen ließ: wenn alle Bauerbuben in der Welt also gezogen würden, so wäre kein Handwerk, wo man sie nicht dazu brauchen könnte, so gut und noch besser als die Stadtbuben.
Nicht nur das. Er hat gleich gesehen, daß es sein Vortheil wäre, zwey der angereisten von diesen Buben zu sich in die Lehr zu nehmen, und hat ihnen wirklich anerbotten, sie sein Hand- werk zu lehren, ohne daß es einen Heller kosten müsse.
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was ſie immer unter Menſchenhaͤnden ſahen, dachten ſie nicht mehr, daß ſie es nicht auch in ihre nehmen doͤrfen.
Es iſt zum Exempel ein Meiſter Enger, ein Uhrenmacher im Dorf, der bey 20 Jahren da geſeſſen, ohne daß je ein Bauerbub in ſeine Werkſtatt gekommen, dieſes oder jenes darinn zu betrachten, oder etwann ſelber anzugreifen und zu probieren.
Aber jezt ſeitdem der Gluͤphj ihnen beyge- bracht, daß ſie Haͤnd, und Ohren und Naſen haben vollends wie andere Leuthe, ſteken ihrer mehr als ein halb Duzend Nachbarsbuben dem Meiſter alle Abend im Haus, und laſſen ihm keine Ruh, bis er ſie dies und das in die Hand nehmen und probieren laͤßt.
Die Buben griffen es auch alle mit einer Art an, daß der Meiſter ſich nicht genug verwun- dern konnte, und dem Schulmeiſter ſagen ließ: wenn alle Bauerbuben in der Welt alſo gezogen wuͤrden, ſo waͤre kein Handwerk, wo man ſie nicht dazu brauchen koͤnnte, ſo gut und noch beſſer als die Stadtbuben.
Nicht nur das. Er hat gleich geſehen, daß es ſein Vortheil waͤre, zwey der angereiſten von dieſen Buben zu ſich in die Lehr zu nehmen, und hat ihnen wirklich anerbotten, ſie ſein Hand- werk zu lehren, ohne daß es einen Heller koſten muͤſſe.
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was ſie immer unter Menſchenhaͤnden ſahen,
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Es iſt zum Exempel ein Meiſter Enger, ein
Uhrenmacher im Dorf, der bey 20 Jahren da
geſeſſen, ohne daß je ein Bauerbub in ſeine
Werkſtatt gekommen, dieſes oder jenes darinn
zu betrachten, oder etwann ſelber anzugreifen
und zu probieren.
Aber jezt ſeitdem der Gluͤphj ihnen beyge-
bracht, daß ſie Haͤnd, und Ohren und Naſen
haben vollends wie andere Leuthe, ſteken ihrer
mehr als ein halb Duzend Nachbarsbuben dem
Meiſter alle Abend im Haus, und laſſen ihm
keine Ruh, bis er ſie dies und das in die Hand
nehmen und probieren laͤßt.
Die Buben griffen es auch alle mit einer Art
an, daß der Meiſter ſich nicht genug verwun-
dern konnte, und dem Schulmeiſter ſagen ließ:
wenn alle Bauerbuben in der Welt alſo gezogen
wuͤrden, ſo waͤre kein Handwerk, wo man ſie
nicht dazu brauchen koͤnnte, ſo gut und noch
beſſer als die Stadtbuben.
Nicht nur das. Er hat gleich geſehen, daß es
ſein Vortheil waͤre, zwey der angereiſten von
dieſen Buben zu ſich in die Lehr zu nehmen, und
hat ihnen wirklich anerbotten, ſie ſein Hand-
werk zu lehren, ohne daß es einen Heller koſten
muͤſſe.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/411>, abgerufen am 23.11.2024.
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