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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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Ein Beweis, wie weit die Kinder im Dorf
gekommen, ist auch das: wenn des Junkers
Carl die Zeit her von Bonnal heimkam, sagte
er immer: die Buben in diesem Dorf sind ganz
anderst als andere Bauernbuben, und es meynte
einer, sie wären Junkern gegen den andern, so
wenig scheuch (schüchtern) sind sie, und so viel
wissen sie gegen den andern. Ich erzähle das,
wegen dem Nichtscheuseyn; der Lieutenant
baute den ganzen Erfolg seiner Erziehung auf
den Grund dieses Nichtscheuseyns, nemlich auf
ein unverstelltes Inneres, und sagte 100 mal
zu seinen Kindern: "ich verzeihe euch alle Feh-
"ler; aber wenn ihr anfangt euch zu verstel-
"len, so seyd ihr im Grund verloren, und es
"giebt für immer nichts als elende verdrehete
"Krüppel." -- Auch durchstach er sie mit
seinem Falkenblik, wenn er im geringsten so et-
was merkte, und jagte denn darauf los, drükte
darauf zu, preßte es ihnen aus, daß der Angst-
schweiß ihnen ausgieng; auch förchteten sie das
Wort: was machst du für ein Gesicht? oder
für Augen? von ihm wie ein Schwert; dann
sie kannten seine Strenge, ihnen alle Arten des
verstellten Wesens auszutreiben. Aber wie ge-
sagt, er baute auch hierinn auf Fundamente.

Er machte sie bedächtlich, damit sie offen seyn
könnten. -- Er machte sie vorsichtig, damit
sie nicht mißtrauisch seyn müßten. -- Er mach-

B b 2

Ein Beweis, wie weit die Kinder im Dorf
gekommen, iſt auch das: wenn des Junkers
Carl die Zeit her von Bonnal heimkam, ſagte
er immer: die Buben in dieſem Dorf ſind ganz
anderſt als andere Bauernbuben, und es meynte
einer, ſie waͤren Junkern gegen den andern, ſo
wenig ſcheuch (ſchuͤchtern) ſind ſie, und ſo viel
wiſſen ſie gegen den andern. Ich erzaͤhle das,
wegen dem Nichtſcheuſeyn; der Lieutenant
baute den ganzen Erfolg ſeiner Erziehung auf
den Grund dieſes Nichtſcheuſeyns, nemlich auf
ein unverſtelltes Inneres, und ſagte 100 mal
zu ſeinen Kindern: „ich verzeihe euch alle Feh-
„ler; aber wenn ihr anfangt euch zu verſtel-
„len, ſo ſeyd ihr im Grund verloren, und es
„giebt fuͤr immer nichts als elende verdrehete
„Kruͤppel.„ — Auch durchſtach er ſie mit
ſeinem Falkenblik, wenn er im geringſten ſo et-
was merkte, und jagte denn darauf los, druͤkte
darauf zu, preßte es ihnen aus, daß der Angſt-
ſchweiß ihnen ausgieng; auch foͤrchteten ſie das
Wort: was machſt du fuͤr ein Geſicht? oder
fuͤr Augen? von ihm wie ein Schwert; dann
ſie kannten ſeine Strenge, ihnen alle Arten des
verſtellten Weſens auszutreiben. Aber wie ge-
ſagt, er baute auch hierinn auf Fundamente.

Er machte ſie bedaͤchtlich, damit ſie offen ſeyn
koͤnnten. — Er machte ſie vorſichtig, damit
ſie nicht mißtrauiſch ſeyn muͤßten. — Er mach-

B b 2
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[387/0409] Ein Beweis, wie weit die Kinder im Dorf gekommen, iſt auch das: wenn des Junkers Carl die Zeit her von Bonnal heimkam, ſagte er immer: die Buben in dieſem Dorf ſind ganz anderſt als andere Bauernbuben, und es meynte einer, ſie waͤren Junkern gegen den andern, ſo wenig ſcheuch (ſchuͤchtern) ſind ſie, und ſo viel wiſſen ſie gegen den andern. Ich erzaͤhle das, wegen dem Nichtſcheuſeyn; der Lieutenant baute den ganzen Erfolg ſeiner Erziehung auf den Grund dieſes Nichtſcheuſeyns, nemlich auf ein unverſtelltes Inneres, und ſagte 100 mal zu ſeinen Kindern: „ich verzeihe euch alle Feh- „ler; aber wenn ihr anfangt euch zu verſtel- „len, ſo ſeyd ihr im Grund verloren, und es „giebt fuͤr immer nichts als elende verdrehete „Kruͤppel.„ — Auch durchſtach er ſie mit ſeinem Falkenblik, wenn er im geringſten ſo et- was merkte, und jagte denn darauf los, druͤkte darauf zu, preßte es ihnen aus, daß der Angſt- ſchweiß ihnen ausgieng; auch foͤrchteten ſie das Wort: was machſt du fuͤr ein Geſicht? oder fuͤr Augen? von ihm wie ein Schwert; dann ſie kannten ſeine Strenge, ihnen alle Arten des verſtellten Weſens auszutreiben. Aber wie ge- ſagt, er baute auch hierinn auf Fundamente. Er machte ſie bedaͤchtlich, damit ſie offen ſeyn koͤnnten. — Er machte ſie vorſichtig, damit ſie nicht mißtrauiſch ſeyn muͤßten. — Er mach- B b 2

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/409>, abgerufen am 27.11.2024.