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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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war das ein Schreken. Die Alten verstumm-
ten und die Kinder huben ein Zettergeschrey
an, und lange wußte niemand was rathen,
was helfen? -- Endlich nach einer Weile
dämpfte das Beben des Schrekens bey einigen
den Wein, daß es war wie wenn sie ihre Sin-
nen wieder bekämen, -- und ein Leüpj kam
dazu, daß er wie vernünftig ihnen den Rath
geben konnte, sie sollen Strohhalme suchen,
und sie Kreuzweis über einander in die linke
Hand nehmen, und so wollen sie eins dem an-
dern fest anhangend in Gottes Namen auf dem
Fußweg neben dem Wassergraben bey dem Ge-
spenst vorbeygehen, und denn wenn sie gerade
vor ihm über, so soll ein jedes die Worte aus-
sprechen "alle gute Geister loben Gott den
Herrn."

Die arme Heerde folgte ihm so gern als
forchtsame Schaafe dem Hund, wenn er den
Wolf schmekt und sie zusammenjagt, daß sie desto
sicherer neben dem Wald vorbeykommen.

Sie schikten sich im Augenblik an, an den
Stauden neben dem Weg Strohhalme zu su-
chen. Als sie deren hatten, zerbrachen sie die-
selben, machten Kreuze daraus und legten sie
den kleinen und jungen noch in die Hand, daß
sie ihnen recht kommen, denn lehrten sie sie
noch die Worte aussprechen "alle gute Geister
loben Gott den Herrn."


war das ein Schreken. Die Alten verſtumm-
ten und die Kinder huben ein Zettergeſchrey
an, und lange wußte niemand was rathen,
was helfen? — Endlich nach einer Weile
daͤmpfte das Beben des Schrekens bey einigen
den Wein, daß es war wie wenn ſie ihre Sin-
nen wieder bekaͤmen, — und ein Leuͤpj kam
dazu, daß er wie vernuͤnftig ihnen den Rath
geben konnte, ſie ſollen Strohhalme ſuchen,
und ſie Kreuzweis uͤber einander in die linke
Hand nehmen, und ſo wollen ſie eins dem an-
dern feſt anhangend in Gottes Namen auf dem
Fußweg neben dem Waſſergraben bey dem Ge-
ſpenſt vorbeygehen, und denn wenn ſie gerade
vor ihm uͤber, ſo ſoll ein jedes die Worte aus-
ſprechen „alle gute Geiſter loben Gott den
Herrn.„

Die arme Heerde folgte ihm ſo gern als
forchtſame Schaafe dem Hund, wenn er den
Wolf ſchmekt und ſie zuſammenjagt, daß ſie deſto
ſicherer neben dem Wald vorbeykommen.

Sie ſchikten ſich im Augenblik an, an den
Stauden neben dem Weg Strohhalme zu ſu-
chen. Als ſie deren hatten, zerbrachen ſie die-
ſelben, machten Kreuze daraus und legten ſie
den kleinen und jungen noch in die Hand, daß
ſie ihnen recht kommen, denn lehrten ſie ſie
noch die Worte ausſprechen „alle gute Geiſter
loben Gott den Herrn.”


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[381/0403] war das ein Schreken. Die Alten verſtumm- ten und die Kinder huben ein Zettergeſchrey an, und lange wußte niemand was rathen, was helfen? — Endlich nach einer Weile daͤmpfte das Beben des Schrekens bey einigen den Wein, daß es war wie wenn ſie ihre Sin- nen wieder bekaͤmen, — und ein Leuͤpj kam dazu, daß er wie vernuͤnftig ihnen den Rath geben konnte, ſie ſollen Strohhalme ſuchen, und ſie Kreuzweis uͤber einander in die linke Hand nehmen, und ſo wollen ſie eins dem an- dern feſt anhangend in Gottes Namen auf dem Fußweg neben dem Waſſergraben bey dem Ge- ſpenſt vorbeygehen, und denn wenn ſie gerade vor ihm uͤber, ſo ſoll ein jedes die Worte aus- ſprechen „alle gute Geiſter loben Gott den Herrn.„ Die arme Heerde folgte ihm ſo gern als forchtſame Schaafe dem Hund, wenn er den Wolf ſchmekt und ſie zuſammenjagt, daß ſie deſto ſicherer neben dem Wald vorbeykommen. Sie ſchikten ſich im Augenblik an, an den Stauden neben dem Weg Strohhalme zu ſu- chen. Als ſie deren hatten, zerbrachen ſie die- ſelben, machten Kreuze daraus und legten ſie den kleinen und jungen noch in die Hand, daß ſie ihnen recht kommen, denn lehrten ſie ſie noch die Worte ausſprechen „alle gute Geiſter loben Gott den Herrn.”

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/403>, abgerufen am 23.11.2024.