Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

soll, die, behüt uns Gott davor! einmal dei-
nen nicht gleich sehen.

Es muß einer kein Vater seyn, wenn er nicht
lieber vom Donner erschlagen seyn wollte, als
von so einem Wort getroffen. Auch zitterte der
Ständlj-Sänger, dem man sonst Lumpenhund,
und alles was man wollte, sagen konnte, ohne
daß ers zörnte, jezt am ganzen Leib; es war
aber auch zu erschreklich, denn es war ganz
wahr; er konnte es darum auch nicht aushal-
ten, und mußte fortgehen.

Aber da er zur Thüre hinaus war, sagte
doch ein alter ehrlicher Uhlj: Jä -- Linden-
berger, das ist doch zu hart! und ich muß dir
sagen, es ist mir einmal noch nicht, daß du in
allen Stüken recht habest; gerade z. Ex. will es
mir gar nicht in Kopf, daß es mit dem Aus-
wendiglehrnen der Religion just so sey, wie du
behauptest.

Noch immer in der Hiz, antwortete der Lin-
denberger: lieber Uhlj! es tönt freylich hart,
wie ichs sage, aber nur weil wir von Jugend
auf gewohnt sind, es anderst zu hören. Oder
ists nicht so? überlegs, und gieb mir dann eine
Antwort.

Wenn einer einem Kind eine Heiden- und
Zigeunerreligion in Kopf bringen würde --
wie es dann käme? -- Sez, er würde das
Dümmste, das du nur erdenken könntest, ihm

ſoll, die, behuͤt uns Gott davor! einmal dei-
nen nicht gleich ſehen.

Es muß einer kein Vater ſeyn, wenn er nicht
lieber vom Donner erſchlagen ſeyn wollte, als
von ſo einem Wort getroffen. Auch zitterte der
Staͤndlj-Saͤnger, dem man ſonſt Lumpenhund,
und alles was man wollte, ſagen konnte, ohne
daß ers zoͤrnte, jezt am ganzen Leib; es war
aber auch zu erſchreklich, denn es war ganz
wahr; er konnte es darum auch nicht aushal-
ten, und mußte fortgehen.

Aber da er zur Thuͤre hinaus war, ſagte
doch ein alter ehrlicher Uhlj: Jaͤ — Linden-
berger, das iſt doch zu hart! und ich muß dir
ſagen, es iſt mir einmal noch nicht, daß du in
allen Stuͤken recht habeſt; gerade z. Ex. will es
mir gar nicht in Kopf, daß es mit dem Aus-
wendiglehrnen der Religion juſt ſo ſey, wie du
behaupteſt.

Noch immer in der Hiz, antwortete der Lin-
denberger: lieber Uhlj! es toͤnt freylich hart,
wie ichs ſage, aber nur weil wir von Jugend
auf gewohnt ſind, es anderſt zu hoͤren. Oder
iſts nicht ſo? uͤberlegs, und gieb mir dann eine
Antwort.

Wenn einer einem Kind eine Heiden- und
Zigeunerreligion in Kopf bringen wuͤrde —
wie es dann kaͤme? — Sez, er wuͤrde das
Duͤmmſte, das du nur erdenken koͤnnteſt, ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0364" n="342"/>
&#x017F;oll, die, behu&#x0364;t uns Gott davor! einmal dei-<lb/>
nen nicht gleich &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Es muß einer kein Vater &#x017F;eyn, wenn er nicht<lb/>
lieber vom Donner er&#x017F;chlagen &#x017F;eyn wollte, als<lb/>
von &#x017F;o einem Wort getroffen. Auch zitterte der<lb/>
Sta&#x0364;ndlj-Sa&#x0364;nger, dem man &#x017F;on&#x017F;t Lumpenhund,<lb/>
und alles was man wollte, &#x017F;agen konnte, ohne<lb/>
daß ers zo&#x0364;rnte, jezt am ganzen Leib; es war<lb/>
aber auch zu er&#x017F;chreklich, denn es war ganz<lb/>
wahr; er konnte es darum auch nicht aushal-<lb/>
ten, und mußte fortgehen.</p><lb/>
        <p>Aber da er zur Thu&#x0364;re hinaus war, &#x017F;agte<lb/>
doch ein alter ehrlicher Uhlj: Ja&#x0364; &#x2014; Linden-<lb/>
berger, das i&#x017F;t doch zu hart! und ich muß dir<lb/>
&#x017F;agen, es i&#x017F;t mir einmal noch nicht, daß du in<lb/>
allen Stu&#x0364;ken recht habe&#x017F;t; gerade z. Ex. will es<lb/>
mir gar nicht in Kopf, daß es mit dem Aus-<lb/>
wendiglehrnen der Religion ju&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;ey, wie du<lb/>
behaupte&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Noch immer in der Hiz, antwortete der Lin-<lb/>
denberger: lieber Uhlj! es to&#x0364;nt freylich hart,<lb/>
wie ichs &#x017F;age, aber nur weil wir von Jugend<lb/>
auf gewohnt &#x017F;ind, es ander&#x017F;t zu ho&#x0364;ren. Oder<lb/>
i&#x017F;ts nicht &#x017F;o? u&#x0364;berlegs, und gieb mir dann eine<lb/>
Antwort.</p><lb/>
        <p>Wenn einer einem Kind eine Heiden- und<lb/>
Zigeunerreligion in Kopf bringen wu&#x0364;rde &#x2014;<lb/>
wie es dann ka&#x0364;me? &#x2014; Sez, er wu&#x0364;rde das<lb/>
Du&#x0364;mm&#x017F;te, das du nur erdenken ko&#x0364;nnte&#x017F;t, ihm<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0364] ſoll, die, behuͤt uns Gott davor! einmal dei- nen nicht gleich ſehen. Es muß einer kein Vater ſeyn, wenn er nicht lieber vom Donner erſchlagen ſeyn wollte, als von ſo einem Wort getroffen. Auch zitterte der Staͤndlj-Saͤnger, dem man ſonſt Lumpenhund, und alles was man wollte, ſagen konnte, ohne daß ers zoͤrnte, jezt am ganzen Leib; es war aber auch zu erſchreklich, denn es war ganz wahr; er konnte es darum auch nicht aushal- ten, und mußte fortgehen. Aber da er zur Thuͤre hinaus war, ſagte doch ein alter ehrlicher Uhlj: Jaͤ — Linden- berger, das iſt doch zu hart! und ich muß dir ſagen, es iſt mir einmal noch nicht, daß du in allen Stuͤken recht habeſt; gerade z. Ex. will es mir gar nicht in Kopf, daß es mit dem Aus- wendiglehrnen der Religion juſt ſo ſey, wie du behaupteſt. Noch immer in der Hiz, antwortete der Lin- denberger: lieber Uhlj! es toͤnt freylich hart, wie ichs ſage, aber nur weil wir von Jugend auf gewohnt ſind, es anderſt zu hoͤren. Oder iſts nicht ſo? uͤberlegs, und gieb mir dann eine Antwort. Wenn einer einem Kind eine Heiden- und Zigeunerreligion in Kopf bringen wuͤrde — wie es dann kaͤme? — Sez, er wuͤrde das Duͤmmſte, das du nur erdenken koͤnnteſt, ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/364
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/364>, abgerufen am 27.11.2024.