der Wiegen, was ein Mensch wissen muß, um mit Gott und Ehren durch die Welt zu kommen -- er kan ja nicht einmal lesen -- wenn er lesen will, so ist's wie wann ein al- tes Schaaf blöket, und je andächtiger er seyn will, je mehr blöket er: und in der Schul hat er eine Ordnung, daß einen der Gestank zurükschlägt, wenn man eine Thüre aufthut. -- Auch ist sicher kein Stall im Dorf, darinn man nicht für Kälber und Füllen, die man erziehen will, weit besser sorget, daß das aus ihnen werde, was aus ihnen werden muß -- als in unsrer Schul dafür gesorgt wird, daß das aus unseren Kinderen werde, was aus ihnen werden sollte.
-- So redte der Mann der Erfahrung hatte in seinem Dorf.
Seine Schwester gieng jezt einmal über das ander in die Küche; kam dann wieder in die Stuben, gleich wieder in die Küche, und käute immer an den Nägeln; denn sie hatte Lust dem Junker auch einen Kram von ihren Bauren Küchlenen heim zu geben, und -- dorfte es nicht und wollte -- es doch -- das machte sie an den Näglen kauen, und wiederkauen, bis sie endlich fand, sie dörfe es doch; er sey ja gar nicht wie ein andrer Junker, der es erwann übel nehmen könnte; -- doch traute sie sich nicht völlig
der Wiegen, was ein Menſch wiſſen muß, um mit Gott und Ehren durch die Welt zu kommen — er kan ja nicht einmal leſen — wenn er leſen will, ſo iſt’s wie wann ein al- tes Schaaf bloͤket, und je andaͤchtiger er ſeyn will, je mehr bloͤket er: und in der Schul hat er eine Ordnung, daß einen der Geſtank zuruͤkſchlaͤgt, wenn man eine Thuͤre aufthut. — Auch iſt ſicher kein Stall im Dorf, darinn man nicht fuͤr Kaͤlber und Fuͤllen, die man erziehen will, weit beſſer ſorget, daß das aus ihnen werde, was aus ihnen werden muß — als in unſrer Schul dafuͤr geſorgt wird, daß das aus unſeren Kinderen werde, was aus ihnen werden ſollte.
— So redte der Mann der Erfahrung hatte in ſeinem Dorf.
Seine Schweſter gieng jezt einmal uͤber das ander in die Kuͤche; kam dann wieder in die Stuben, gleich wieder in die Kuͤche, und kaͤute immer an den Naͤgeln; denn ſie hatte Luſt dem Junker auch einen Kram von ihren Bauren Kuͤchlenen heim zu geben, und — dorfte es nicht und wollte — es doch — das machte ſie an den Naͤglen kauen, und wiederkauen, bis ſie endlich fand, ſie doͤrfe es doch; er ſey ja gar nicht wie ein andrer Junker, der es erwann uͤbel nehmen koͤnnte; — doch traute ſie ſich nicht voͤllig
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0036"n="14"/>
der Wiegen, was ein Menſch wiſſen muß,<lb/>
um mit Gott und Ehren durch die Welt zu<lb/>
kommen — er kan ja nicht einmal leſen —<lb/>
wenn er leſen will, ſo iſt’s wie wann ein al-<lb/>
tes Schaaf bloͤket, und je andaͤchtiger er<lb/>ſeyn will, je mehr bloͤket er: und in der<lb/>
Schul hat er eine Ordnung, daß einen der<lb/>
Geſtank zuruͤkſchlaͤgt, wenn man eine Thuͤre<lb/>
aufthut. — Auch iſt ſicher kein Stall im<lb/>
Dorf, darinn man nicht fuͤr Kaͤlber und<lb/>
Fuͤllen, die man erziehen will, weit beſſer<lb/>ſorget, daß das aus ihnen werde, was aus<lb/>
ihnen werden muß — als in unſrer Schul<lb/>
dafuͤr geſorgt wird, daß das aus unſeren<lb/>
Kinderen werde, was aus ihnen werden ſollte.</p><lb/><p>— So redte der Mann der Erfahrung<lb/>
hatte in ſeinem Dorf.</p><lb/><p>Seine Schweſter gieng jezt einmal uͤber<lb/>
das ander in die Kuͤche; kam dann wieder<lb/>
in die Stuben, gleich wieder in die Kuͤche,<lb/>
und kaͤute immer an den Naͤgeln; denn ſie<lb/>
hatte Luſt dem Junker auch einen Kram von<lb/>
ihren Bauren Kuͤchlenen heim zu geben, und<lb/>— dorfte es nicht und wollte — es doch<lb/>— das machte ſie an den Naͤglen kauen,<lb/>
und wiederkauen, bis ſie endlich fand, ſie<lb/>
doͤrfe es doch; er ſey ja gar nicht wie ein<lb/>
andrer Junker, der es erwann uͤbel nehmen<lb/>
koͤnnte; — doch traute ſie ſich nicht voͤllig<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[14/0036]
der Wiegen, was ein Menſch wiſſen muß,
um mit Gott und Ehren durch die Welt zu
kommen — er kan ja nicht einmal leſen —
wenn er leſen will, ſo iſt’s wie wann ein al-
tes Schaaf bloͤket, und je andaͤchtiger er
ſeyn will, je mehr bloͤket er: und in der
Schul hat er eine Ordnung, daß einen der
Geſtank zuruͤkſchlaͤgt, wenn man eine Thuͤre
aufthut. — Auch iſt ſicher kein Stall im
Dorf, darinn man nicht fuͤr Kaͤlber und
Fuͤllen, die man erziehen will, weit beſſer
ſorget, daß das aus ihnen werde, was aus
ihnen werden muß — als in unſrer Schul
dafuͤr geſorgt wird, daß das aus unſeren
Kinderen werde, was aus ihnen werden ſollte.
— So redte der Mann der Erfahrung
hatte in ſeinem Dorf.
Seine Schweſter gieng jezt einmal uͤber
das ander in die Kuͤche; kam dann wieder
in die Stuben, gleich wieder in die Kuͤche,
und kaͤute immer an den Naͤgeln; denn ſie
hatte Luſt dem Junker auch einen Kram von
ihren Bauren Kuͤchlenen heim zu geben, und
— dorfte es nicht und wollte — es doch
— das machte ſie an den Naͤglen kauen,
und wiederkauen, bis ſie endlich fand, ſie
doͤrfe es doch; er ſey ja gar nicht wie ein
andrer Junker, der es erwann uͤbel nehmen
koͤnnte; — doch traute ſie ſich nicht voͤllig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/36>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.