Das Hartknopfen Geschmeiß im Dorf fand, er sey kein rechter Christenmensch, und fieng unter der Hand an, guten und einfältigen Leuthen im Dorf das in Kopf zu spinnen. Ei- ner der ersten, dem dieses Gemurmel behagte, und der eifrigsten, die es auszubreiten suchten, war der alte Schulmeister. Er konnte nicht leiden, daß die Kinder den neuen Mann alle so rühmten und liebten. Ihn hatten so lang er Schulmeister war, alle gehasset und alle ge- scholten, und er war dessen sint dreyßig Jah- ren so gewohnt, daß er meynte, es müsse so seyn, und behauptete, Kinder die noch ohne rechte Erkanntnuß ihres Heils seyen, hassen von Natur die Zucht, und folglich auch alle Schulmeister. Aber jezt kam er mit dieser Einbildung nicht mehr recht fort, und es dunk- te ihn, die Leuthe werden ihm sagen, die Kin- der lieben jezt ja den Schulmeister, weil er gut sey.
Das machte ihn häßig, dann er ward sein Lebtag immer häßig, wenn man ihm darauf deutete, sein Schalknarrenwesen sey die Ursach, daß ihn die Kinder nicht lieben.
Und doch wars die reine Wahrheit, und konnte nicht anderst seyn; wenn sie das Ge- ringste thaten, das ihm zuwider, so war sein erstes Wort, -- ihr bringet mich um Leib und Seel, und noch dazu ins Grab. -- Oder
Das Hartknopfen Geſchmeiß im Dorf fand, er ſey kein rechter Chriſtenmenſch, und fieng unter der Hand an, guten und einfaͤltigen Leuthen im Dorf das in Kopf zu ſpinnen. Ei- ner der erſten, dem dieſes Gemurmel behagte, und der eifrigſten, die es auszubreiten ſuchten, war der alte Schulmeiſter. Er konnte nicht leiden, daß die Kinder den neuen Mann alle ſo ruͤhmten und liebten. Ihn hatten ſo lang er Schulmeiſter war, alle gehaſſet und alle ge- ſcholten, und er war deſſen ſint dreyßig Jah- ren ſo gewohnt, daß er meynte, es muͤſſe ſo ſeyn, und behauptete, Kinder die noch ohne rechte Erkanntnuß ihres Heils ſeyen, haſſen von Natur die Zucht, und folglich auch alle Schulmeiſter. Aber jezt kam er mit dieſer Einbildung nicht mehr recht fort, und es dunk- te ihn, die Leuthe werden ihm ſagen, die Kin- der lieben jezt ja den Schulmeiſter, weil er gut ſey.
Das machte ihn haͤßig, dann er ward ſein Lebtag immer haͤßig, wenn man ihm darauf deutete, ſein Schalknarrenweſen ſey die Urſach, daß ihn die Kinder nicht lieben.
Und doch wars die reine Wahrheit, und konnte nicht anderſt ſeyn; wenn ſie das Ge- ringſte thaten, das ihm zuwider, ſo war ſein erſtes Wort, — ihr bringet mich um Leib und Seel, und noch dazu ins Grab. — Oder
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0336"n="314"/><p>Das Hartknopfen Geſchmeiß im Dorf fand,<lb/>
er ſey kein rechter Chriſtenmenſch, und fieng<lb/>
unter der Hand an, guten und einfaͤltigen<lb/>
Leuthen im Dorf das in Kopf zu ſpinnen. Ei-<lb/>
ner der erſten, dem dieſes Gemurmel behagte,<lb/>
und der eifrigſten, die es auszubreiten ſuchten,<lb/>
war der alte Schulmeiſter. Er konnte nicht<lb/>
leiden, daß die Kinder den neuen Mann alle<lb/>ſo ruͤhmten und liebten. Ihn hatten ſo lang<lb/>
er Schulmeiſter war, alle gehaſſet und alle ge-<lb/>ſcholten, und er war deſſen ſint dreyßig Jah-<lb/>
ren ſo gewohnt, daß er meynte, es muͤſſe ſo<lb/>ſeyn, und behauptete, Kinder die noch ohne<lb/>
rechte Erkanntnuß ihres Heils ſeyen, haſſen<lb/>
von Natur die Zucht, und folglich auch alle<lb/>
Schulmeiſter. Aber jezt kam er mit dieſer<lb/>
Einbildung nicht mehr recht fort, und es dunk-<lb/>
te ihn, die Leuthe werden ihm ſagen, die Kin-<lb/>
der lieben jezt ja den Schulmeiſter, weil er<lb/>
gut ſey.</p><lb/><p>Das machte ihn haͤßig, dann er ward ſein<lb/>
Lebtag immer haͤßig, wenn man ihm darauf<lb/>
deutete, ſein Schalknarrenweſen ſey die Urſach,<lb/>
daß ihn die Kinder nicht lieben.</p><lb/><p>Und doch wars die reine Wahrheit, und<lb/>
konnte nicht anderſt ſeyn; wenn ſie das Ge-<lb/>
ringſte thaten, das ihm zuwider, ſo war ſein<lb/>
erſtes Wort, — ihr bringet mich um Leib<lb/>
und Seel, und noch dazu ins Grab. — Oder<lb/></p></div></body></text></TEI>
[314/0336]
Das Hartknopfen Geſchmeiß im Dorf fand,
er ſey kein rechter Chriſtenmenſch, und fieng
unter der Hand an, guten und einfaͤltigen
Leuthen im Dorf das in Kopf zu ſpinnen. Ei-
ner der erſten, dem dieſes Gemurmel behagte,
und der eifrigſten, die es auszubreiten ſuchten,
war der alte Schulmeiſter. Er konnte nicht
leiden, daß die Kinder den neuen Mann alle
ſo ruͤhmten und liebten. Ihn hatten ſo lang
er Schulmeiſter war, alle gehaſſet und alle ge-
ſcholten, und er war deſſen ſint dreyßig Jah-
ren ſo gewohnt, daß er meynte, es muͤſſe ſo
ſeyn, und behauptete, Kinder die noch ohne
rechte Erkanntnuß ihres Heils ſeyen, haſſen
von Natur die Zucht, und folglich auch alle
Schulmeiſter. Aber jezt kam er mit dieſer
Einbildung nicht mehr recht fort, und es dunk-
te ihn, die Leuthe werden ihm ſagen, die Kin-
der lieben jezt ja den Schulmeiſter, weil er
gut ſey.
Das machte ihn haͤßig, dann er ward ſein
Lebtag immer haͤßig, wenn man ihm darauf
deutete, ſein Schalknarrenweſen ſey die Urſach,
daß ihn die Kinder nicht lieben.
Und doch wars die reine Wahrheit, und
konnte nicht anderſt ſeyn; wenn ſie das Ge-
ringſte thaten, das ihm zuwider, ſo war ſein
erſtes Wort, — ihr bringet mich um Leib
und Seel, und noch dazu ins Grab. — Oder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/336>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.