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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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schiene, es komme ihnen wie von selbst; bey
andern aber gieng es darum gut, weil sie sonst
schon mehr als andere in den Händen gehabt,
wozu es Aufmerksamkeit brauchte.

Aber einigen, die noch nicht viel anders in
Händen gehabt als den Löffel mit dem sie das
Essen zum Maul hinaufbringen, kam es schwer
an. Das Rechnen lehrnten einige sehr leicht,
die zum schreiben gar ungeschikt thaten, und
die Federn, wie wenn sie lahm wären, in die
Hand nahmen; und es kamen wirklich etliche
solche Löffelbuben, die in ihrem Leben fast noch
nichts gethan, als auf den Gassen und Weiden
herumziehen, hierinn den andern allen schnell
und weit vor.

Es ist natürlich: das größte Lumpenvolk hat
die größten Anlagen, und läßt meistens das
Arbeitsvolk Kopfs halber weit hinter sich zu-
rük, auch findet man fast immer den Bauren-
rechner im Wirthshaus.

Ueberhaupt fand der Schulmeister diese ar-
men Kinder Kopfs- und Händen halber viel
geschikter als er es erwartete; auch das ist
natürlich.

Noth und Armuh macht dem Menschen
gar viel durch Kopf und Hände gehen, das er
mit Gedult und Anstrengung darinn herum-
drehen muß, bis er Brod darausziehen kann;
und Glüphi bauete auf dieses so sehr, daß er

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ſchiene, es komme ihnen wie von ſelbſt; bey
andern aber gieng es darum gut, weil ſie ſonſt
ſchon mehr als andere in den Haͤnden gehabt,
wozu es Aufmerkſamkeit brauchte.

Aber einigen, die noch nicht viel anders in
Haͤnden gehabt als den Loͤffel mit dem ſie das
Eſſen zum Maul hinaufbringen, kam es ſchwer
an. Das Rechnen lehrnten einige ſehr leicht,
die zum ſchreiben gar ungeſchikt thaten, und
die Federn, wie wenn ſie lahm waͤren, in die
Hand nahmen; und es kamen wirklich etliche
ſolche Loͤffelbuben, die in ihrem Leben faſt noch
nichts gethan, als auf den Gaſſen und Weiden
herumziehen, hierinn den andern allen ſchnell
und weit vor.

Es iſt natuͤrlich: das groͤßte Lumpenvolk hat
die groͤßten Anlagen, und laͤßt meiſtens das
Arbeitsvolk Kopfs halber weit hinter ſich zu-
ruͤk, auch findet man faſt immer den Bauren-
rechner im Wirthshaus.

Ueberhaupt fand der Schulmeiſter dieſe ar-
men Kinder Kopfs- und Haͤnden halber viel
geſchikter als er es erwartete; auch das iſt
natuͤrlich.

Noth und Armuh macht dem Menſchen
gar viel durch Kopf und Haͤnde gehen, das er
mit Gedult und Anſtrengung darinn herum-
drehen muß, bis er Brod darausziehen kann;
und Gluͤphi bauete auf dieſes ſo ſehr, daß er

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[291/0313] ſchiene, es komme ihnen wie von ſelbſt; bey andern aber gieng es darum gut, weil ſie ſonſt ſchon mehr als andere in den Haͤnden gehabt, wozu es Aufmerkſamkeit brauchte. Aber einigen, die noch nicht viel anders in Haͤnden gehabt als den Loͤffel mit dem ſie das Eſſen zum Maul hinaufbringen, kam es ſchwer an. Das Rechnen lehrnten einige ſehr leicht, die zum ſchreiben gar ungeſchikt thaten, und die Federn, wie wenn ſie lahm waͤren, in die Hand nahmen; und es kamen wirklich etliche ſolche Loͤffelbuben, die in ihrem Leben faſt noch nichts gethan, als auf den Gaſſen und Weiden herumziehen, hierinn den andern allen ſchnell und weit vor. Es iſt natuͤrlich: das groͤßte Lumpenvolk hat die groͤßten Anlagen, und laͤßt meiſtens das Arbeitsvolk Kopfs halber weit hinter ſich zu- ruͤk, auch findet man faſt immer den Bauren- rechner im Wirthshaus. Ueberhaupt fand der Schulmeiſter dieſe ar- men Kinder Kopfs- und Haͤnden halber viel geſchikter als er es erwartete; auch das iſt natuͤrlich. Noth und Armuh macht dem Menſchen gar viel durch Kopf und Haͤnde gehen, das er mit Gedult und Anſtrengung darinn herum- drehen muß, bis er Brod darausziehen kann; und Gluͤphi bauete auf dieſes ſo ſehr, daß er T 2

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/313>, abgerufen am 23.11.2024.