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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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In der hohlen Gaß oben am Dorf, beym
grossen Echo, das wie ihr wißt, rund um den
Berg lauft, und dann durch das Thal hinab
sich wiederholt, ist der Junker und der Pfar-
rer still, der Zug merkte warum? Da jauchz-
ten die Buben so laut sie konnten, Trommel
und Pfeiffen tönten, so laut sie konnten, es
war wie wenn selber die Geissen lauter may-
geten, und das frohe Getümmel daurte, bis
sie an den Plaz kamen. --

Da gaben die Buben ihren Schwestern die
Geissen ans Seil, suchten ihren Vater, und
ein jeder führte da den seinen an der Hand an
den Plaz, wo er den Baum, den er auf der Ach-
sel trug, sezen mußte.

Aber sie waren nicht so bald an der Arbeit,
so sah der Rollenberger, daß die Bauren in
Bonnal vom Baumsezen ohngefehr so viel ver-
stuhnden, daß sie ihn nicht bey den Aesten son-
dern bey der Wurzel in Boden hinein thun
müssen, aber nicht mehr. Da zog er seinen
Rok aus, sprang von einem Eken zum andern,
zeigte ihnen was sie nicht konnten z. E. auf
welche Seite sie sie kehren müßten, damit sie
gegen die Sonne kommen, wie vorher und der-
gleichen. Er vertheilte ihnen die Wurzel,
schnitt das Unnüze und Schadhafte ab, wie ein
Gärtner, er machte ihnen den Herd rein, zeigte
ihnen, wie sie ihn in die Ordnung zulegen,

In der hohlen Gaß oben am Dorf, beym
groſſen Echo, das wie ihr wißt, rund um den
Berg lauft, und dann durch das Thal hinab
ſich wiederholt, iſt der Junker und der Pfar-
rer ſtill, der Zug merkte warum? Da jauchz-
ten die Buben ſo laut ſie konnten, Trommel
und Pfeiffen toͤnten, ſo laut ſie konnten, es
war wie wenn ſelber die Geiſſen lauter may-
geten, und das frohe Getuͤmmel daurte, bis
ſie an den Plaz kamen. —

Da gaben die Buben ihren Schweſtern die
Geiſſen ans Seil, ſuchten ihren Vater, und
ein jeder fuͤhrte da den ſeinen an der Hand an
den Plaz, wo er den Baum, den er auf der Ach-
ſel trug, ſezen mußte.

Aber ſie waren nicht ſo bald an der Arbeit,
ſo ſah der Rollenberger, daß die Bauren in
Bonnal vom Baumſezen ohngefehr ſo viel ver-
ſtuhnden, daß ſie ihn nicht bey den Aeſten ſon-
dern bey der Wurzel in Boden hinein thun
muͤſſen, aber nicht mehr. Da zog er ſeinen
Rok aus, ſprang von einem Eken zum andern,
zeigte ihnen was ſie nicht konnten z. E. auf
welche Seite ſie ſie kehren muͤßten, damit ſie
gegen die Sonne kommen, wie vorher und der-
gleichen. Er vertheilte ihnen die Wurzel,
ſchnitt das Unnuͤze und Schadhafte ab, wie ein
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[254/0276] In der hohlen Gaß oben am Dorf, beym groſſen Echo, das wie ihr wißt, rund um den Berg lauft, und dann durch das Thal hinab ſich wiederholt, iſt der Junker und der Pfar- rer ſtill, der Zug merkte warum? Da jauchz- ten die Buben ſo laut ſie konnten, Trommel und Pfeiffen toͤnten, ſo laut ſie konnten, es war wie wenn ſelber die Geiſſen lauter may- geten, und das frohe Getuͤmmel daurte, bis ſie an den Plaz kamen. — Da gaben die Buben ihren Schweſtern die Geiſſen ans Seil, ſuchten ihren Vater, und ein jeder fuͤhrte da den ſeinen an der Hand an den Plaz, wo er den Baum, den er auf der Ach- ſel trug, ſezen mußte. Aber ſie waren nicht ſo bald an der Arbeit, ſo ſah der Rollenberger, daß die Bauren in Bonnal vom Baumſezen ohngefehr ſo viel ver- ſtuhnden, daß ſie ihn nicht bey den Aeſten ſon- dern bey der Wurzel in Boden hinein thun muͤſſen, aber nicht mehr. Da zog er ſeinen Rok aus, ſprang von einem Eken zum andern, zeigte ihnen was ſie nicht konnten z. E. auf welche Seite ſie ſie kehren muͤßten, damit ſie gegen die Sonne kommen, wie vorher und der- gleichen. Er vertheilte ihnen die Wurzel, ſchnitt das Unnuͤze und Schadhafte ab, wie ein Gaͤrtner, er machte ihnen den Herd rein, zeigte ihnen, wie ſie ihn in die Ordnung zulegen,

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/276>, abgerufen am 27.11.2024.