Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

seyen ihm seiner Lebtag nie so lieb gewesen;
eine solche Freude hatte er an den Kindern.

Diese wollten jezt heim, aber er ließ sie nicht,
und sagte, der Pfarrer habe Küh im Stall,
und Brod im Haus, und die Frau Pfarrerin
macht euch gern eine Milchsuppe. Und es ge-
lüstete ihn jezt selber nicht zum Tisch, und mit
den Kindern im Garten allein ihre Milchsuppe
und nichts anders zu essen; aber er sah, da er
sich das merken ließ, daß der Pfarrerin das
Maul ein wenig herab fiel, und das war ihm
Grund genug, daß er mit ihnen zum Tisch
gieng.

Die gute Frau war aber auch den ganzen
Morgen bis nach den Zwölfen beym heissen
Feuer in der Kuche, damit der Junker ein gu-
tes Mittagessen bekomme. Er sagte da seiner
Wirthin, er wollte eine Viertelstund zusizen,
aber dann versprechet ihr nur, daß keines von
euch aufstehen wolle, wenn ich dann zu mei-
nen Kindern fortspringe.

Er blieb ein paar Minuten länger, trank
auf ihre Gesundheit, rühmte Suppe und Fisch,
eh er aufstuhnd, dann aber war er in einem
Sprung zur Thüre hinaus und die Stege hin-
unter.




P 3

ſeyen ihm ſeiner Lebtag nie ſo lieb geweſen;
eine ſolche Freude hatte er an den Kindern.

Dieſe wollten jezt heim, aber er ließ ſie nicht,
und ſagte, der Pfarrer habe Kuͤh im Stall,
und Brod im Haus, und die Frau Pfarrerin
macht euch gern eine Milchſuppe. Und es ge-
luͤſtete ihn jezt ſelber nicht zum Tiſch, und mit
den Kindern im Garten allein ihre Milchſuppe
und nichts anders zu eſſen; aber er ſah, da er
ſich das merken ließ, daß der Pfarrerin das
Maul ein wenig herab fiel, und das war ihm
Grund genug, daß er mit ihnen zum Tiſch
gieng.

Die gute Frau war aber auch den ganzen
Morgen bis nach den Zwoͤlfen beym heiſſen
Feuer in der Kuche, damit der Junker ein gu-
tes Mittageſſen bekomme. Er ſagte da ſeiner
Wirthin, er wollte eine Viertelſtund zuſizen,
aber dann verſprechet ihr nur, daß keines von
euch aufſtehen wolle, wenn ich dann zu mei-
nen Kindern fortſpringe.

Er blieb ein paar Minuten laͤnger, trank
auf ihre Geſundheit, ruͤhmte Suppe und Fiſch,
eh er aufſtuhnd, dann aber war er in einem
Sprung zur Thuͤre hinaus und die Stege hin-
unter.




P 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0251" n="229"/>
&#x017F;eyen ihm &#x017F;einer Lebtag nie &#x017F;o lieb gewe&#x017F;en;<lb/>
eine &#x017F;olche Freude hatte er an den Kindern.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e wollten jezt heim, aber er ließ &#x017F;ie nicht,<lb/>
und &#x017F;agte, der Pfarrer habe Ku&#x0364;h im Stall,<lb/>
und Brod im Haus, und die Frau Pfarrerin<lb/>
macht euch gern eine Milch&#x017F;uppe. Und es ge-<lb/>
lu&#x0364;&#x017F;tete ihn jezt &#x017F;elber nicht zum Ti&#x017F;ch, und mit<lb/>
den Kindern im Garten allein ihre Milch&#x017F;uppe<lb/>
und nichts anders zu e&#x017F;&#x017F;en; aber er &#x017F;ah, da er<lb/>
&#x017F;ich das merken ließ, daß der Pfarrerin das<lb/>
Maul ein wenig herab fiel, und das war ihm<lb/>
Grund genug, daß er mit ihnen zum Ti&#x017F;ch<lb/>
gieng.</p><lb/>
        <p>Die gute Frau war aber auch den ganzen<lb/>
Morgen bis nach den Zwo&#x0364;lfen beym hei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Feuer in der Kuche, damit der Junker ein gu-<lb/>
tes Mittage&#x017F;&#x017F;en bekomme. Er &#x017F;agte da &#x017F;einer<lb/>
Wirthin, er wollte eine Viertel&#x017F;tund zu&#x017F;izen,<lb/>
aber dann ver&#x017F;prechet ihr nur, daß keines von<lb/>
euch auf&#x017F;tehen wolle, wenn ich dann zu mei-<lb/>
nen Kindern fort&#x017F;pringe.</p><lb/>
        <p>Er blieb ein paar Minuten la&#x0364;nger, trank<lb/>
auf ihre Ge&#x017F;undheit, ru&#x0364;hmte Suppe und Fi&#x017F;ch,<lb/>
eh er auf&#x017F;tuhnd, dann aber war er in einem<lb/>
Sprung zur Thu&#x0364;re hinaus und die Stege hin-<lb/>
unter.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <fw place="bottom" type="sig">P 3</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0251] ſeyen ihm ſeiner Lebtag nie ſo lieb geweſen; eine ſolche Freude hatte er an den Kindern. Dieſe wollten jezt heim, aber er ließ ſie nicht, und ſagte, der Pfarrer habe Kuͤh im Stall, und Brod im Haus, und die Frau Pfarrerin macht euch gern eine Milchſuppe. Und es ge- luͤſtete ihn jezt ſelber nicht zum Tiſch, und mit den Kindern im Garten allein ihre Milchſuppe und nichts anders zu eſſen; aber er ſah, da er ſich das merken ließ, daß der Pfarrerin das Maul ein wenig herab fiel, und das war ihm Grund genug, daß er mit ihnen zum Tiſch gieng. Die gute Frau war aber auch den ganzen Morgen bis nach den Zwoͤlfen beym heiſſen Feuer in der Kuche, damit der Junker ein gu- tes Mittageſſen bekomme. Er ſagte da ſeiner Wirthin, er wollte eine Viertelſtund zuſizen, aber dann verſprechet ihr nur, daß keines von euch aufſtehen wolle, wenn ich dann zu mei- nen Kindern fortſpringe. Er blieb ein paar Minuten laͤnger, trank auf ihre Geſundheit, ruͤhmte Suppe und Fiſch, eh er aufſtuhnd, dann aber war er in einem Sprung zur Thuͤre hinaus und die Stege hin- unter. P 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/251
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/251>, abgerufen am 27.11.2024.