Nacht, ehe die Sonne wieder aufstuhnd, sich an einer Eiche erhenkt.
Man konnte das nicht genug anschauen, so schön war es. Ein leichter Wind wehete die rei- fen Blüthen vom Birnbaum, daß sie wie Schneegestober um ihns herflogen, und auf ihns abfielen, wie wenn sie ihns kleiden wollten.
Es war mit seinen Gedanken auch nicht beym Birnbaum, es war bey seinem Vater. -- Es ist immer bey ihm, seitdem er gestorben; aber es war euch ein guter Vater, und hatte ihns innig lieb, und alle seine Kinder. Und er ist nur darum gestorben, weil er in dieser dunkeln Stunde glaubte, -- es sey ihm un- möglich die armen zehen Geschöpfe vor tiefem Elend zu bewahren.
Er war an der unglüklichen Nacht bis um 11 Uhr auf, und kam da noch in seines Ba- belis Kammer, und wünschte ihm gute Nacht; aber er wußte nicht, wie er thun wollte, war so freundlich und so ängstlich, und konnte nicht von ihm weg, so daß es dem Kind selber vor- kam, er mache, wie wenn er auf eine weite Reis wollte, und nicht wisse ob er ihns wieder sehen würde.
Als er fort war, mußte es ein paarmal seuf- zen, aber es denkte doch es sey nichts anders, er seye jezt ins Beth; aber ein paar Stunden darauf, als die Mutter kam, und sagte, er
sey
Nacht, ehe die Sonne wieder aufſtuhnd, ſich an einer Eiche erhenkt.
Man konnte das nicht genug anſchauen, ſo ſchoͤn war es. Ein leichter Wind wehete die rei- fen Bluͤthen vom Birnbaum, daß ſie wie Schneegeſtober um ihns herflogen, und auf ihns abfielen, wie wenn ſie ihns kleiden wollten.
Es war mit ſeinen Gedanken auch nicht beym Birnbaum, es war bey ſeinem Vater. — Es iſt immer bey ihm, ſeitdem er geſtorben; aber es war euch ein guter Vater, und hatte ihns innig lieb, und alle ſeine Kinder. Und er iſt nur darum geſtorben, weil er in dieſer dunkeln Stunde glaubte, — es ſey ihm un- moͤglich die armen zehen Geſchoͤpfe vor tiefem Elend zu bewahren.
Er war an der ungluͤklichen Nacht bis um 11 Uhr auf, und kam da noch in ſeines Ba- belis Kammer, und wuͤnſchte ihm gute Nacht; aber er wußte nicht, wie er thun wollte, war ſo freundlich und ſo aͤngſtlich, und konnte nicht von ihm weg, ſo daß es dem Kind ſelber vor- kam, er mache, wie wenn er auf eine weite Reis wollte, und nicht wiſſe ob er ihns wieder ſehen wuͤrde.
Als er fort war, mußte es ein paarmal ſeuf- zen, aber es denkte doch es ſey nichts anders, er ſeye jezt ins Beth; aber ein paar Stunden darauf, als die Mutter kam, und ſagte, er
ſey
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0230"n="208"/>
Nacht, ehe die Sonne wieder aufſtuhnd, ſich<lb/>
an einer Eiche erhenkt.</p><lb/><p>Man konnte das nicht genug anſchauen, ſo<lb/>ſchoͤn war es. Ein leichter Wind wehete die rei-<lb/>
fen Bluͤthen vom Birnbaum, daß ſie wie<lb/>
Schneegeſtober um ihns herflogen, und auf<lb/>
ihns abfielen, wie wenn ſie ihns kleiden wollten.</p><lb/><p>Es war mit ſeinen Gedanken auch nicht<lb/>
beym Birnbaum, es war bey ſeinem Vater. —<lb/>
Es iſt immer bey ihm, ſeitdem er geſtorben;<lb/>
aber es war euch ein guter Vater, und hatte<lb/>
ihns innig lieb, und alle ſeine Kinder. Und<lb/>
er iſt nur darum geſtorben, weil er in dieſer<lb/>
dunkeln Stunde glaubte, — es ſey ihm un-<lb/>
moͤglich die armen zehen Geſchoͤpfe vor tiefem<lb/>
Elend zu bewahren.</p><lb/><p>Er war an der ungluͤklichen Nacht bis um<lb/>
11 Uhr auf, und kam da noch in ſeines Ba-<lb/>
belis Kammer, und wuͤnſchte ihm gute Nacht;<lb/>
aber er wußte nicht, wie er thun wollte, war<lb/>ſo freundlich und ſo aͤngſtlich, und konnte nicht<lb/>
von ihm weg, ſo daß es dem Kind ſelber vor-<lb/>
kam, er mache, wie wenn er auf eine weite<lb/>
Reis wollte, und nicht wiſſe ob er ihns wieder<lb/>ſehen wuͤrde.</p><lb/><p>Als er fort war, mußte es ein paarmal ſeuf-<lb/>
zen, aber es denkte doch es ſey nichts anders,<lb/>
er ſeye jezt ins Beth; aber ein paar Stunden<lb/>
darauf, als die Mutter kam, und ſagte, er<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſey</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[208/0230]
Nacht, ehe die Sonne wieder aufſtuhnd, ſich
an einer Eiche erhenkt.
Man konnte das nicht genug anſchauen, ſo
ſchoͤn war es. Ein leichter Wind wehete die rei-
fen Bluͤthen vom Birnbaum, daß ſie wie
Schneegeſtober um ihns herflogen, und auf
ihns abfielen, wie wenn ſie ihns kleiden wollten.
Es war mit ſeinen Gedanken auch nicht
beym Birnbaum, es war bey ſeinem Vater. —
Es iſt immer bey ihm, ſeitdem er geſtorben;
aber es war euch ein guter Vater, und hatte
ihns innig lieb, und alle ſeine Kinder. Und
er iſt nur darum geſtorben, weil er in dieſer
dunkeln Stunde glaubte, — es ſey ihm un-
moͤglich die armen zehen Geſchoͤpfe vor tiefem
Elend zu bewahren.
Er war an der ungluͤklichen Nacht bis um
11 Uhr auf, und kam da noch in ſeines Ba-
belis Kammer, und wuͤnſchte ihm gute Nacht;
aber er wußte nicht, wie er thun wollte, war
ſo freundlich und ſo aͤngſtlich, und konnte nicht
von ihm weg, ſo daß es dem Kind ſelber vor-
kam, er mache, wie wenn er auf eine weite
Reis wollte, und nicht wiſſe ob er ihns wieder
ſehen wuͤrde.
Als er fort war, mußte es ein paarmal ſeuf-
zen, aber es denkte doch es ſey nichts anders,
er ſeye jezt ins Beth; aber ein paar Stunden
darauf, als die Mutter kam, und ſagte, er
ſey
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/230>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.