seinen Meyuungen selig, so verdorben, war sein Herzens Käfer. Himmlisches Kind, und Engels Seele waren die gewohnten Ausdrüke die er brauchte, wann er von ihr redte. --
Ein gutes Kind war sie, das ist wahr: aber ein schwaches, zur Liederlichkeit und zum Träu- mer-Leben höchstgeneigtes Geschöpf, das sich noch dazu auf die Erkanntniß, die sie in geist- lichen Dingen hatten, weiß nicht was einbil- dete. Diese Erkanntniß aber war ein armer unverdäuter Wortkram, der ihr Kopf und Herz, und Sinn und Gedanken zu allem was sie in der Welt hätte seyn sollen, wie wegge- nommen, so daß ihr Mann und ihre Kinder seit 20 Jahren weniger mit ihr versorgt gewe- sen, als wenn sie in Gottes Namen gestorben wäre. --
Der jezige Pfarrer in Bonnal, der mit sei- nem Kopf nicht in den Lüften schwebt, sagte ihr es im ersten Jahr, wo er glaube, daß sie zu Hause seye; wo er immer sein Aug hin- kehrte, fand er in ihrem Hause nichts, das ihm zeigte, es wohne eine Hausfrau und eine Mutter hier, hingegen war ihr das Maul im Augenblik offen, von Religions- sachen mit ihm zu reden, und ihn zu fra- gen, wie er dieses und jenes ansehe? Er sagte aber deutsch, du fragest mich da Sachen, an die ich noch nie Zeit gehabt zu denken, und
es
ſeinen Meyuungen ſelig, ſo verdorben, war ſein Herzens Kaͤfer. Himmliſches Kind, und Engels Seele waren die gewohnten Ausdruͤke die er brauchte, wann er von ihr redte. —
Ein gutes Kind war ſie, das iſt wahr: aber ein ſchwaches, zur Liederlichkeit und zum Traͤu- mer-Leben hoͤchſtgeneigtes Geſchoͤpf, das ſich noch dazu auf die Erkanntniß, die ſie in geiſt- lichen Dingen hatten, weiß nicht was einbil- dete. Dieſe Erkanntniß aber war ein armer unverdaͤuter Wortkram, der ihr Kopf und Herz, und Sinn und Gedanken zu allem was ſie in der Welt haͤtte ſeyn ſollen, wie wegge- nommen, ſo daß ihr Mann und ihre Kinder ſeit 20 Jahren weniger mit ihr verſorgt gewe- ſen, als wenn ſie in Gottes Namen geſtorben waͤre. —
Der jezige Pfarrer in Bonnal, der mit ſei- nem Kopf nicht in den Luͤften ſchwebt, ſagte ihr es im erſten Jahr, wo er glaube, daß ſie zu Hauſe ſeye; wo er immer ſein Aug hin- kehrte, fand er in ihrem Hauſe nichts, das ihm zeigte, es wohne eine Hausfrau und eine Mutter hier, hingegen war ihr das Maul im Augenblik offen, von Religions- ſachen mit ihm zu reden, und ihn zu fra- gen, wie er dieſes und jenes anſehe? Er ſagte aber deutſch, du frageſt mich da Sachen, an die ich noch nie Zeit gehabt zu denken, und
es
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0150"n="128"/>ſeinen Meyuungen ſelig, ſo verdorben, war<lb/>ſein Herzens Kaͤfer. Himmliſches Kind, und<lb/>
Engels Seele waren die gewohnten Ausdruͤke<lb/>
die er brauchte, wann er von ihr redte. —</p><lb/><p>Ein gutes Kind war ſie, das iſt wahr: aber<lb/>
ein ſchwaches, zur Liederlichkeit und zum Traͤu-<lb/>
mer-Leben hoͤchſtgeneigtes Geſchoͤpf, das ſich<lb/>
noch dazu auf die Erkanntniß, die ſie in geiſt-<lb/>
lichen Dingen hatten, weiß nicht was einbil-<lb/>
dete. Dieſe Erkanntniß aber war ein armer<lb/>
unverdaͤuter Wortkram, der ihr Kopf und<lb/>
Herz, und Sinn und Gedanken zu allem was<lb/>ſie in der Welt haͤtte ſeyn ſollen, wie wegge-<lb/>
nommen, ſo daß ihr Mann und ihre Kinder<lb/>ſeit 20 Jahren weniger mit ihr verſorgt gewe-<lb/>ſen, als wenn ſie in Gottes Namen geſtorben<lb/>
waͤre. —</p><lb/><p>Der jezige Pfarrer in Bonnal, der mit ſei-<lb/>
nem Kopf nicht in den Luͤften ſchwebt, ſagte<lb/>
ihr es im erſten Jahr, wo er glaube, daß ſie<lb/>
zu Hauſe ſeye; wo er immer ſein Aug hin-<lb/>
kehrte, fand er in ihrem Hauſe nichts, das<lb/>
ihm zeigte, es wohne eine Hausfrau und<lb/>
eine Mutter hier, hingegen war ihr das<lb/>
Maul im Augenblik offen, von Religions-<lb/>ſachen mit ihm zu reden, und ihn zu fra-<lb/>
gen, wie er dieſes und jenes anſehe? Er<lb/>ſagte aber deutſch, du frageſt mich da Sachen,<lb/>
an die ich noch nie Zeit gehabt zu denken, und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">es</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[128/0150]
ſeinen Meyuungen ſelig, ſo verdorben, war
ſein Herzens Kaͤfer. Himmliſches Kind, und
Engels Seele waren die gewohnten Ausdruͤke
die er brauchte, wann er von ihr redte. —
Ein gutes Kind war ſie, das iſt wahr: aber
ein ſchwaches, zur Liederlichkeit und zum Traͤu-
mer-Leben hoͤchſtgeneigtes Geſchoͤpf, das ſich
noch dazu auf die Erkanntniß, die ſie in geiſt-
lichen Dingen hatten, weiß nicht was einbil-
dete. Dieſe Erkanntniß aber war ein armer
unverdaͤuter Wortkram, der ihr Kopf und
Herz, und Sinn und Gedanken zu allem was
ſie in der Welt haͤtte ſeyn ſollen, wie wegge-
nommen, ſo daß ihr Mann und ihre Kinder
ſeit 20 Jahren weniger mit ihr verſorgt gewe-
ſen, als wenn ſie in Gottes Namen geſtorben
waͤre. —
Der jezige Pfarrer in Bonnal, der mit ſei-
nem Kopf nicht in den Luͤften ſchwebt, ſagte
ihr es im erſten Jahr, wo er glaube, daß ſie
zu Hauſe ſeye; wo er immer ſein Aug hin-
kehrte, fand er in ihrem Hauſe nichts, das
ihm zeigte, es wohne eine Hausfrau und
eine Mutter hier, hingegen war ihr das
Maul im Augenblik offen, von Religions-
ſachen mit ihm zu reden, und ihn zu fra-
gen, wie er dieſes und jenes anſehe? Er
ſagte aber deutſch, du frageſt mich da Sachen,
an die ich noch nie Zeit gehabt zu denken, und
es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/150>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.