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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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seinen Meyuungen selig, so verdorben, war
sein Herzens Käfer. Himmlisches Kind, und
Engels Seele waren die gewohnten Ausdrüke
die er brauchte, wann er von ihr redte. --

Ein gutes Kind war sie, das ist wahr: aber
ein schwaches, zur Liederlichkeit und zum Träu-
mer-Leben höchstgeneigtes Geschöpf, das sich
noch dazu auf die Erkanntniß, die sie in geist-
lichen Dingen hatten, weiß nicht was einbil-
dete. Diese Erkanntniß aber war ein armer
unverdäuter Wortkram, der ihr Kopf und
Herz, und Sinn und Gedanken zu allem was
sie in der Welt hätte seyn sollen, wie wegge-
nommen, so daß ihr Mann und ihre Kinder
seit 20 Jahren weniger mit ihr versorgt gewe-
sen, als wenn sie in Gottes Namen gestorben
wäre. --

Der jezige Pfarrer in Bonnal, der mit sei-
nem Kopf nicht in den Lüften schwebt, sagte
ihr es im ersten Jahr, wo er glaube, daß sie
zu Hause seye; wo er immer sein Aug hin-
kehrte, fand er in ihrem Hause nichts, das
ihm zeigte, es wohne eine Hausfrau und
eine Mutter hier, hingegen war ihr das
Maul im Augenblik offen, von Religions-
sachen mit ihm zu reden, und ihn zu fra-
gen, wie er dieses und jenes ansehe? Er
sagte aber deutsch, du fragest mich da Sachen,
an die ich noch nie Zeit gehabt zu denken, und

es

ſeinen Meyuungen ſelig, ſo verdorben, war
ſein Herzens Kaͤfer. Himmliſches Kind, und
Engels Seele waren die gewohnten Ausdruͤke
die er brauchte, wann er von ihr redte. —

Ein gutes Kind war ſie, das iſt wahr: aber
ein ſchwaches, zur Liederlichkeit und zum Traͤu-
mer-Leben hoͤchſtgeneigtes Geſchoͤpf, das ſich
noch dazu auf die Erkanntniß, die ſie in geiſt-
lichen Dingen hatten, weiß nicht was einbil-
dete. Dieſe Erkanntniß aber war ein armer
unverdaͤuter Wortkram, der ihr Kopf und
Herz, und Sinn und Gedanken zu allem was
ſie in der Welt haͤtte ſeyn ſollen, wie wegge-
nommen, ſo daß ihr Mann und ihre Kinder
ſeit 20 Jahren weniger mit ihr verſorgt gewe-
ſen, als wenn ſie in Gottes Namen geſtorben
waͤre. —

Der jezige Pfarrer in Bonnal, der mit ſei-
nem Kopf nicht in den Luͤften ſchwebt, ſagte
ihr es im erſten Jahr, wo er glaube, daß ſie
zu Hauſe ſeye; wo er immer ſein Aug hin-
kehrte, fand er in ihrem Hauſe nichts, das
ihm zeigte, es wohne eine Hausfrau und
eine Mutter hier, hingegen war ihr das
Maul im Augenblik offen, von Religions-
ſachen mit ihm zu reden, und ihn zu fra-
gen, wie er dieſes und jenes anſehe? Er
ſagte aber deutſch, du frageſt mich da Sachen,
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[128/0150] ſeinen Meyuungen ſelig, ſo verdorben, war ſein Herzens Kaͤfer. Himmliſches Kind, und Engels Seele waren die gewohnten Ausdruͤke die er brauchte, wann er von ihr redte. — Ein gutes Kind war ſie, das iſt wahr: aber ein ſchwaches, zur Liederlichkeit und zum Traͤu- mer-Leben hoͤchſtgeneigtes Geſchoͤpf, das ſich noch dazu auf die Erkanntniß, die ſie in geiſt- lichen Dingen hatten, weiß nicht was einbil- dete. Dieſe Erkanntniß aber war ein armer unverdaͤuter Wortkram, der ihr Kopf und Herz, und Sinn und Gedanken zu allem was ſie in der Welt haͤtte ſeyn ſollen, wie wegge- nommen, ſo daß ihr Mann und ihre Kinder ſeit 20 Jahren weniger mit ihr verſorgt gewe- ſen, als wenn ſie in Gottes Namen geſtorben waͤre. — Der jezige Pfarrer in Bonnal, der mit ſei- nem Kopf nicht in den Luͤften ſchwebt, ſagte ihr es im erſten Jahr, wo er glaube, daß ſie zu Hauſe ſeye; wo er immer ſein Aug hin- kehrte, fand er in ihrem Hauſe nichts, das ihm zeigte, es wohne eine Hausfrau und eine Mutter hier, hingegen war ihr das Maul im Augenblik offen, von Religions- ſachen mit ihm zu reden, und ihn zu fra- gen, wie er dieſes und jenes anſehe? Er ſagte aber deutſch, du frageſt mich da Sachen, an die ich noch nie Zeit gehabt zu denken, und es

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/150>, abgerufen am 23.11.2024.