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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Gertrud. Jch möchte doch izt gern bald
wissen, was es gewesen -- wenn du kei-
nen Rausch hast.

Jch habe keinen Tropfen getrunken, ant-
wortete Lienhard, und erzählte ihr dann die
ganze Histori, redte aber noch immer, wie
im Fieber, und gieng in währendem Erzählen
noch zweymal in die Kuche Wasser zu trin-
ken.

Gertrud hörte ihm umständlich zu, unter-
brach ihn nicht, so lang er erzählte; aber
zulezt sagte sie ihm dennoch: "Es erbaut
mich gar nicht, wie du gemacht hast, und
ich hätte dir mehrers zugetraut."

Lienhard. Wie? -- was mehrers? --

Gertrud. Daß du dich bey so etwas un-
wichtigem mehr besizen könntest.

Lienhard. Was? ist das etwas Unwich-
tiges?

Gertrud. Gesezt, es sey nicht ganz un-
wichtig, so läßt es sich gar nicht entschuldi-
gen, wie du darob gemacht hast.

Lienhard. Warum das?

Gertrud. Jch möchte noch fragen --
So machen, wie du gemacht hast, wenn
man nicht gesünder und stärker ist, als du
izt bist, heißt sich muthwillig vor der Zeit
unter den Boden bringen.

Lienhard. Darinn hast du recht -- das

Herz
E 3

Gertrud. Jch moͤchte doch izt gern bald
wiſſen, was es geweſen — wenn du kei-
nen Rauſch haſt.

Jch habe keinen Tropfen getrunken, ant-
wortete Lienhard, und erzaͤhlte ihr dann die
ganze Hiſtori, redte aber noch immer, wie
im Fieber, und gieng in waͤhrendem Erzaͤhlen
noch zweymal in die Kuche Waſſer zu trin-
ken.

Gertrud hoͤrte ihm umſtaͤndlich zu, unter-
brach ihn nicht, ſo lang er erzaͤhlte; aber
zulezt ſagte ſie ihm dennoch: „Es erbaut
mich gar nicht, wie du gemacht haſt, und
ich haͤtte dir mehrers zugetraut.“

Lienhard. Wie? — was mehrers? —

Gertrud. Daß du dich bey ſo etwas un-
wichtigem mehr beſizen koͤnnteſt.

Lienhard. Was? iſt das etwas Unwich-
tiges?

Gertrud. Geſezt, es ſey nicht ganz un-
wichtig, ſo laͤßt es ſich gar nicht entſchuldi-
gen, wie du darob gemacht haſt.

Lienhard. Warum das?

Gertrud. Jch moͤchte noch fragen —
So machen, wie du gemacht haſt, wenn
man nicht geſuͤnder und ſtaͤrker iſt, als du
izt biſt, heißt ſich muthwillig vor der Zeit
unter den Boden bringen.

Lienhard. Darinn haſt du recht — das

Herz
E 3
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[69/0087] Gertrud. Jch moͤchte doch izt gern bald wiſſen, was es geweſen — wenn du kei- nen Rauſch haſt. Jch habe keinen Tropfen getrunken, ant- wortete Lienhard, und erzaͤhlte ihr dann die ganze Hiſtori, redte aber noch immer, wie im Fieber, und gieng in waͤhrendem Erzaͤhlen noch zweymal in die Kuche Waſſer zu trin- ken. Gertrud hoͤrte ihm umſtaͤndlich zu, unter- brach ihn nicht, ſo lang er erzaͤhlte; aber zulezt ſagte ſie ihm dennoch: „Es erbaut mich gar nicht, wie du gemacht haſt, und ich haͤtte dir mehrers zugetraut.“ Lienhard. Wie? — was mehrers? — Gertrud. Daß du dich bey ſo etwas un- wichtigem mehr beſizen koͤnnteſt. Lienhard. Was? iſt das etwas Unwich- tiges? Gertrud. Geſezt, es ſey nicht ganz un- wichtig, ſo laͤßt es ſich gar nicht entſchuldi- gen, wie du darob gemacht haſt. Lienhard. Warum das? Gertrud. Jch moͤchte noch fragen — So machen, wie du gemacht haſt, wenn man nicht geſuͤnder und ſtaͤrker iſt, als du izt biſt, heißt ſich muthwillig vor der Zeit unter den Boden bringen. Lienhard. Darinn haſt du recht — das Herz E 3

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/87>, abgerufen am 23.11.2024.