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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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wußte, wenn der Vogel auf dem linken
Ast, der kohlschwarz war, und darum auch
Teufelsast hieß, absaß, daß vor der Son-
nen Untergang ein Unglük im Haus seyn
würde; und da half dann kein Bethen,
kein Frommseyn, kein Rechtthun: wenn die
Krähe am morgen nüchter das Maul auf
dem Ast aufthat, so war das Unglük be-
schlossen, und vor Abend sicher im Haus.

Das ist bey 10. Jahren in einem so fort-
gegangen, bis endlich der Schmied den
Baum umhaute und verbrannte; von der
Zeit an seye Jahr und Tag kein Unglük
mehr geschehen, außert daß der Schmied
selber ein Narr worden, und man ihn an
Händ und Füßen anbinden müssen; aber
sonst wars, wie wenn das Glük zum Dach
hineinregnete, seit dem die Krähe nicht mehr
auf dem Teufelsast absizen konnte.

Solche Geschichten waren izt allenthal-
ben wieder der Tert im Dorf: die guten u.
die bösen Müttern redeten wieder fleißig mit
den Kindern vom schwarzen Mann, der sie
hollen würde, wenn sie nicht recht thäten,
und dergl.

Die junge Kienholzin, die aus Hoffart
Jahr und Tag unglaubig war, und mit ih-
ren Kindern über Gespengster und Heren
den Spaß trieb, kehrte izt den Spieß wie-

der

wußte, wenn der Vogel auf dem linken
Aſt, der kohlſchwarz war, und darum auch
Teufelsaſt hieß, abſaß, daß vor der Son-
nen Untergang ein Ungluͤk im Haus ſeyn
wuͤrde; und da half dann kein Bethen,
kein Frommſeyn, kein Rechtthun: wenn die
Kraͤhe am morgen nuͤchter das Maul auf
dem Aſt aufthat, ſo war das Ungluͤk be-
ſchloſſen, und vor Abend ſicher im Haus.

Das iſt bey 10. Jahren in einem ſo fort-
gegangen, bis endlich der Schmied den
Baum umhaute und verbrannte; von der
Zeit an ſeye Jahr und Tag kein Ungluͤk
mehr geſchehen, außert daß der Schmied
ſelber ein Narr worden, und man ihn an
Haͤnd und Fuͤßen anbinden muͤſſen; aber
ſonſt wars, wie wenn das Gluͤk zum Dach
hineinregnete, ſeit dem die Kraͤhe nicht mehr
auf dem Teufelsaſt abſizen konnte.

Solche Geſchichten waren izt allenthal-
ben wieder der Tert im Dorf: die guten u.
die boͤſen Muͤttern redeten wieder fleißig mit
den Kindern vom ſchwarzen Mann, der ſie
hollen wuͤrde, wenn ſie nicht recht thaͤten,
und dergl.

Die junge Kienholzin, die aus Hoffart
Jahr und Tag unglaubig war, und mit ih-
ren Kindern uͤber Geſpengſter und Heren
den Spaß trieb, kehrte izt den Spieß wie-

der
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[59/0077] wußte, wenn der Vogel auf dem linken Aſt, der kohlſchwarz war, und darum auch Teufelsaſt hieß, abſaß, daß vor der Son- nen Untergang ein Ungluͤk im Haus ſeyn wuͤrde; und da half dann kein Bethen, kein Frommſeyn, kein Rechtthun: wenn die Kraͤhe am morgen nuͤchter das Maul auf dem Aſt aufthat, ſo war das Ungluͤk be- ſchloſſen, und vor Abend ſicher im Haus. Das iſt bey 10. Jahren in einem ſo fort- gegangen, bis endlich der Schmied den Baum umhaute und verbrannte; von der Zeit an ſeye Jahr und Tag kein Ungluͤk mehr geſchehen, außert daß der Schmied ſelber ein Narr worden, und man ihn an Haͤnd und Fuͤßen anbinden muͤſſen; aber ſonſt wars, wie wenn das Gluͤk zum Dach hineinregnete, ſeit dem die Kraͤhe nicht mehr auf dem Teufelsaſt abſizen konnte. Solche Geſchichten waren izt allenthal- ben wieder der Tert im Dorf: die guten u. die boͤſen Muͤttern redeten wieder fleißig mit den Kindern vom ſchwarzen Mann, der ſie hollen wuͤrde, wenn ſie nicht recht thaͤten, und dergl. Die junge Kienholzin, die aus Hoffart Jahr und Tag unglaubig war, und mit ih- ren Kindern uͤber Geſpengſter und Heren den Spaß trieb, kehrte izt den Spieß wie- der

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/77>, abgerufen am 23.11.2024.