Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 11.
Seltsamme Wirkungen des bösen
Gewissens.

Aber wie wenn das Wetter ins Dorf ge-
schlagen, so war alles ob der Nachricht,
daß der Vogt dem Pfarrer alles erzähle, was
er von Jedermann wisse, betroffen. Man
sah in allen Gassen Leute die Köpfe gegen
einander und gegen die Wände kehren; es
fehlte hie und da Männern und Weibern an
ihrer natürlichen Farb; viele, die den Hu-
sten hatten, oder einen kurzen Athem, be-
fanden sich übler als gewohnt; und es gab in
allen Häusern die wunderbarlichsten Auftritte.

Viele böse Weiber wurden einsmals mit
ihren Männern wieder gut.

Viele wilde und freche Kinder wurden so
zahm, daß man sie um einen Finger herum
winden konnte. --

Eheleute und Hausleute fragten sich Sa-
chen und sagten sich Sachen, daß man nicht
hätte errathen können, wie sie izt just auf
das kämen, und an das dächten.

"Wenn er izt auch sagte, ich hätte ihm
deinen Mantel verkauft, der dir gestohlen
worden, -- sagte die durstige Frau Stofe-
lin zu ihrem hauslichen Mann Joosli.

"Daß"
§. 11.
Seltſamme Wirkungen des boͤſen
Gewiſſens.

Aber wie wenn das Wetter ins Dorf ge-
ſchlagen, ſo war alles ob der Nachricht,
daß der Vogt dem Pfarrer alles erzaͤhle, was
er von Jedermann wiſſe, betroffen. Man
ſah in allen Gaſſen Leute die Koͤpfe gegen
einander und gegen die Waͤnde kehren; es
fehlte hie und da Maͤnnern und Weibern an
ihrer natuͤrlichen Farb; viele, die den Hu-
ſten hatten, oder einen kurzen Athem, be-
fanden ſich uͤbler als gewohnt; und es gab in
allen Haͤuſern die wunderbarlichſten Auftritte.

Viele boͤſe Weiber wurden einsmals mit
ihren Maͤnnern wieder gut.

Viele wilde und freche Kinder wurden ſo
zahm, daß man ſie um einen Finger herum
winden konnte. —

Eheleute und Hausleute fragten ſich Sa-
chen und ſagten ſich Sachen, daß man nicht
haͤtte errathen koͤnnen, wie ſie izt juſt auf
das kaͤmen, und an das daͤchten.

„Wenn er izt auch ſagte, ich haͤtte ihm
deinen Mantel verkauft, der dir geſtohlen
worden, — ſagte die durſtige Frau Stofe-
lin zu ihrem hauslichen Mann Joosli.

„Daß“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0056" n="38"/>
        <div n="2">
          <head>§. 11.<lb/>
Selt&#x017F;amme Wirkungen des bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;ens.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">A</hi>ber wie wenn das Wetter ins Dorf ge-<lb/>
&#x017F;chlagen, &#x017F;o war alles ob der Nachricht,<lb/>
daß der Vogt dem Pfarrer alles erza&#x0364;hle, was<lb/>
er von Jedermann wi&#x017F;&#x017F;e, betroffen. Man<lb/>
&#x017F;ah in allen Ga&#x017F;&#x017F;en Leute die Ko&#x0364;pfe gegen<lb/>
einander und gegen die Wa&#x0364;nde kehren; es<lb/>
fehlte hie und da Ma&#x0364;nnern und Weibern an<lb/>
ihrer natu&#x0364;rlichen Farb; viele, die den Hu-<lb/>
&#x017F;ten hatten, oder einen kurzen Athem, be-<lb/>
fanden &#x017F;ich u&#x0364;bler als gewohnt; und es gab in<lb/>
allen Ha&#x0364;u&#x017F;ern die wunderbarlich&#x017F;ten Auftritte.</p><lb/>
          <p>Viele bo&#x0364;&#x017F;e Weiber wurden einsmals mit<lb/>
ihren Ma&#x0364;nnern wieder gut.</p><lb/>
          <p>Viele wilde und freche Kinder wurden &#x017F;o<lb/>
zahm, daß man &#x017F;ie um einen Finger herum<lb/>
winden konnte. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Eheleute und Hausleute fragten &#x017F;ich Sa-<lb/>
chen und &#x017F;agten &#x017F;ich Sachen, daß man nicht<lb/>
ha&#x0364;tte errathen ko&#x0364;nnen, wie &#x017F;ie izt ju&#x017F;t auf<lb/>
das ka&#x0364;men, und an das da&#x0364;chten.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wenn er izt auch &#x017F;agte, ich ha&#x0364;tte ihm<lb/>
deinen Mantel verkauft, der dir ge&#x017F;tohlen<lb/>
worden, &#x2014; &#x017F;agte die dur&#x017F;tige Frau Stofe-<lb/>
lin zu ihrem hauslichen Mann Joosli.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Daß&#x201C;</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0056] §. 11. Seltſamme Wirkungen des boͤſen Gewiſſens. Aber wie wenn das Wetter ins Dorf ge- ſchlagen, ſo war alles ob der Nachricht, daß der Vogt dem Pfarrer alles erzaͤhle, was er von Jedermann wiſſe, betroffen. Man ſah in allen Gaſſen Leute die Koͤpfe gegen einander und gegen die Waͤnde kehren; es fehlte hie und da Maͤnnern und Weibern an ihrer natuͤrlichen Farb; viele, die den Hu- ſten hatten, oder einen kurzen Athem, be- fanden ſich uͤbler als gewohnt; und es gab in allen Haͤuſern die wunderbarlichſten Auftritte. Viele boͤſe Weiber wurden einsmals mit ihren Maͤnnern wieder gut. Viele wilde und freche Kinder wurden ſo zahm, daß man ſie um einen Finger herum winden konnte. — Eheleute und Hausleute fragten ſich Sa- chen und ſagten ſich Sachen, daß man nicht haͤtte errathen koͤnnen, wie ſie izt juſt auf das kaͤmen, und an das daͤchten. „Wenn er izt auch ſagte, ich haͤtte ihm deinen Mantel verkauft, der dir geſtohlen worden, — ſagte die durſtige Frau Stofe- lin zu ihrem hauslichen Mann Joosli. „Daß“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/56
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/56>, abgerufen am 27.11.2024.