die Kaze saß neben der schwarzen Blatte, woraus sie gestern geessen, auf dem Tisch. -- Gertrud fühlte die Größe des Verderbens einer solchen Unordnung, und sagte dann der Länge und der Breite nach, wie weit das lange, und wohin ihn dieses bringen werde. -- Er machte Augen, wie einer, der halb im Schlafe zuhört, als sie so mit ihm redete: Er war der Unordnung so ziemlich gewohnt, und meynte, weil er izt seine Matten wieder habe, so sey alles wieder ganz gut be- stellt -- so daß er lange nicht fassen konnte, was Gertrud izt mit ihrem Predigen wollte. Endlich begriff er sie, und die Thränen schos- sen ihm in die Augen; -- als er antworte- te: "Ach! mein Gott! Nachbarinn! du hast wohl Recht; aber es war, weiß Gott, in unserm Elend nicht anderst möglich: Jch saß auf die Lezte oft bey Stunden und Tagen herum, daß ich fast nicht mehr wußte, wo mir der Kopf stund, vielweniger was ich an- greiffen sollte, und was ich möchte. --
Gertrud. Das ist eben, was ich sage, und warum du dir izt must rathen und helffen lassen.
Rudi. Jch will dir von Herzen danken, wenn du's thust.
Gertrud. Und ich wills von Herzen thun, so viel ich kann.
Ru-
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die Kaze ſaß neben der ſchwarzen Blatte, woraus ſie geſtern geeſſen, auf dem Tiſch. — Gertrud fuͤhlte die Groͤße des Verderbens einer ſolchen Unordnung, und ſagte dann der Laͤnge und der Breite nach, wie weit das lange, und wohin ihn dieſes bringen werde. — Er machte Augen, wie einer, der halb im Schlafe zuhoͤrt, als ſie ſo mit ihm redete: Er war der Unordnung ſo ziemlich gewohnt, und meynte, weil er izt ſeine Matten wieder habe, ſo ſey alles wieder ganz gut be- ſtellt — ſo daß er lange nicht faſſen konnte, was Gertrud izt mit ihrem Predigen wollte. Endlich begriff er ſie, und die Thraͤnen ſchoſ- ſen ihm in die Augen; — als er antworte- te: „Ach! mein Gott! Nachbarinn! du haſt wohl Recht; aber es war, weiß Gott, in unſerm Elend nicht anderſt moͤglich: Jch ſaß auf die Lezte oft bey Stunden und Tagen herum, daß ich faſt nicht mehr wußte, wo mir der Kopf ſtund, vielweniger was ich an- greiffen ſollte, und was ich moͤchte. —
Gertrud. Das iſt eben, was ich ſage, und warum du dir izt muſt rathen und helffen laſſen.
Rudi. Jch will dir von Herzen danken, wenn du's thuſt.
Gertrud. Und ich wills von Herzen thun, ſo viel ich kann.
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die Kaze ſaß neben der ſchwarzen Blatte,
woraus ſie geſtern geeſſen, auf dem Tiſch. —
Gertrud fuͤhlte die Groͤße des Verderbens
einer ſolchen Unordnung, und ſagte dann der
Laͤnge und der Breite nach, wie weit das
lange, und wohin ihn dieſes bringen werde.
— Er machte Augen, wie einer, der halb
im Schlafe zuhoͤrt, als ſie ſo mit ihm redete:
Er war der Unordnung ſo ziemlich gewohnt,
und meynte, weil er izt ſeine Matten wieder
habe, ſo ſey alles wieder ganz gut be-
ſtellt — ſo daß er lange nicht faſſen konnte,
was Gertrud izt mit ihrem Predigen wollte.
Endlich begriff er ſie, und die Thraͤnen ſchoſ-
ſen ihm in die Augen; — als er antworte-
te: „Ach! mein Gott! Nachbarinn! du haſt
wohl Recht; aber es war, weiß Gott, in
unſerm Elend nicht anderſt moͤglich: Jch ſaß
auf die Lezte oft bey Stunden und Tagen
herum, daß ich faſt nicht mehr wußte, wo
mir der Kopf ſtund, vielweniger was ich an-
greiffen ſollte, und was ich moͤchte. —
Gertrud. Das iſt eben, was ich ſage,
und warum du dir izt muſt rathen und
helffen laſſen.
Rudi. Jch will dir von Herzen danken,
wenn du's thuſt.
Gertrud. Und ich wills von Herzen
thun, ſo viel ich kann.
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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