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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Gott lieb oder leid, er wollte wieder reich
werden, und brauchte izt nur keine Sorg-
falt mehr, den Wust der Verbrechen, mit
denen er diesem Endzwek entgegen gieng, zu
verbergen.

Er bauete izt wie blind auf die Forcht u.
den Schreken, mit der er bis izt Jung und
Altes im Zaum gehalten, und jedermann
bey allen seinen Thaten, und bey allem Haß,
den er sich zugezogen, doch das Maul ge-
stopft; -- aber das junge Volk, das er izt
meistern wollte wie das alte, war nicht mehr
das gute bethörbare Volk, dessen Unschuld
er mißbraucht. --

Wo ein Mann wie er 50. Jahr alt wird,
und so lang regiert, bleibt das Volk nicht
mehr so. -- Unser junges Volk war izt
heimtükisch, frech und gewaltthätig, wie er,
und darum war's unmöglich, daß er ihn's
zum Feind haben, und doch meistern konnte.
-- Was alt war, zitterte freylich noch im-
mer vor ihm, und die grauen Bärt sagten
alle, sie haben ihn erfahren, und es soll nur
niemand probieren, etwas mit ihm anzu-
fangen. -- Aber viele junge Pursche wider-
sprachen darinn ihren Vätern, und behaup-
teten, wenn sie allein waren, und sie nie-
mand hörte, es habe nur daran gefehlt, daß
man's nicht recht mit ihm angegriffen --

wenn

Gott lieb oder leid, er wollte wieder reich
werden, und brauchte izt nur keine Sorg-
falt mehr, den Wuſt der Verbrechen, mit
denen er dieſem Endzwek entgegen gieng, zu
verbergen.

Er bauete izt wie blind auf die Forcht u.
den Schreken, mit der er bis izt Jung und
Altes im Zaum gehalten, und jedermann
bey allen ſeinen Thaten, und bey allem Haß,
den er ſich zugezogen, doch das Maul ge-
ſtopft; — aber das junge Volk, das er izt
meiſtern wollte wie das alte, war nicht mehr
das gute bethoͤrbare Volk, deſſen Unſchuld
er mißbraucht. —

Wo ein Mann wie er 50. Jahr alt wird,
und ſo lang regiert, bleibt das Volk nicht
mehr ſo. — Unſer junges Volk war izt
heimtuͤkiſch, frech und gewaltthaͤtig, wie er,
und darum war's unmoͤglich, daß er ihn's
zum Feind haben, und doch meiſtern konnte.
— Was alt war, zitterte freylich noch im-
mer vor ihm, und die grauen Baͤrt ſagten
alle, ſie haben ihn erfahren, und es ſoll nur
niemand probieren, etwas mit ihm anzu-
fangen. — Aber viele junge Purſche wider-
ſprachen darinn ihren Vaͤtern, und behaup-
teten, wenn ſie allein waren, und ſie nie-
mand hoͤrte, es habe nur daran gefehlt, daß
man's nicht recht mit ihm angegriffen —

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[333/0351] Gott lieb oder leid, er wollte wieder reich werden, und brauchte izt nur keine Sorg- falt mehr, den Wuſt der Verbrechen, mit denen er dieſem Endzwek entgegen gieng, zu verbergen. Er bauete izt wie blind auf die Forcht u. den Schreken, mit der er bis izt Jung und Altes im Zaum gehalten, und jedermann bey allen ſeinen Thaten, und bey allem Haß, den er ſich zugezogen, doch das Maul ge- ſtopft; — aber das junge Volk, das er izt meiſtern wollte wie das alte, war nicht mehr das gute bethoͤrbare Volk, deſſen Unſchuld er mißbraucht. — Wo ein Mann wie er 50. Jahr alt wird, und ſo lang regiert, bleibt das Volk nicht mehr ſo. — Unſer junges Volk war izt heimtuͤkiſch, frech und gewaltthaͤtig, wie er, und darum war's unmoͤglich, daß er ihn's zum Feind haben, und doch meiſtern konnte. — Was alt war, zitterte freylich noch im- mer vor ihm, und die grauen Baͤrt ſagten alle, ſie haben ihn erfahren, und es ſoll nur niemand probieren, etwas mit ihm anzu- fangen. — Aber viele junge Purſche wider- ſprachen darinn ihren Vaͤtern, und behaup- teten, wenn ſie allein waren, und ſie nie- mand hoͤrte, es habe nur daran gefehlt, daß man's nicht recht mit ihm angegriffen — wenn

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/351>, abgerufen am 21.11.2024.