bey dem sie standen; aber dieses ärgerte den Siegerist, er stupfte den Hans, und winkte ihm, er sollte es doch anderstwohin abstellen. Dieser wollte auch ungesäumt folgen; aber der Pfarrer sagte: Hans, laß' es nur stehen, das macht gar nichts. --
Und nachdem der Vogt also auf dem Tauf- stein geessen und getrunken, und so alles mit- leidig und liebreich um ihn herum stand, sag- te der Pfarrer zu ihm: "Willst du izt nicht auch gern die Leute alle, von denen vielleicht wenige sind, die du nicht beleidiget und ge- kränkt hast, um Verziehung bitten?" "Ach, mein Gott! Gern, Herr Pfarrer! sagte der Vogt, wandte sich gegen die Umstehenden und sagte: "Verziehet mir doch alle um Got- tes Willen!" -- Er konnte nicht mehr re- den: Aber er sahe sie alle so wehmüthig und erschlagen an, daß Jedermann weich ward; Weib und Mann strekten ihm von allen Sei- ten die Hände dar, und sagten: "Es ist mehr als verziegen!" -- Wie es ihn freute, daß ihm alles die Hand zustrekte -- Wie er lange rechts und links mit beyden Armen nach allen Händen haschte, und mit hunderterley Bewegungen zitternd eine jede drükte, das kannst du dir vorstellen, Leser! Aber beschrei- ben kann ich es nicht. -- Nach einer Weile sagte der Pfarrer zum Vogt: "Jch denke
Vogt,
bey dem ſie ſtanden; aber dieſes aͤrgerte den Siegeriſt, er ſtupfte den Hans, und winkte ihm, er ſollte es doch anderſtwohin abſtellen. Dieſer wollte auch ungeſaͤumt folgen; aber der Pfarrer ſagte: Hans, laß' es nur ſtehen, das macht gar nichts. —
Und nachdem der Vogt alſo auf dem Tauf- ſtein geeſſen und getrunken, und ſo alles mit- leidig und liebreich um ihn herum ſtand, ſag- te der Pfarrer zu ihm: „Willſt du izt nicht auch gern die Leute alle, von denen vielleicht wenige ſind, die du nicht beleidiget und ge- kraͤnkt haſt, um Verziehung bitten?“ „Ach, mein Gott! Gern, Herr Pfarrer! ſagte der Vogt, wandte ſich gegen die Umſtehenden und ſagte: „Verziehet mir doch alle um Got- tes Willen!“ — Er konnte nicht mehr re- den: Aber er ſahe ſie alle ſo wehmuͤthig und erſchlagen an, daß Jedermann weich ward; Weib und Mann ſtrekten ihm von allen Sei- ten die Haͤnde dar, und ſagten: „Es iſt mehr als verziegen!“ — Wie es ihn freute, daß ihm alles die Hand zuſtrekte — Wie er lange rechts und links mit beyden Armen nach allen Haͤnden haſchte, und mit hunderterley Bewegungen zitternd eine jede druͤkte, das kannſt du dir vorſtellen, Leſer! Aber beſchrei- ben kann ich es nicht. — Nach einer Weile ſagte der Pfarrer zum Vogt: „Jch denke
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bey dem ſie ſtanden; aber dieſes aͤrgerte den
Siegeriſt, er ſtupfte den Hans, und winkte
ihm, er ſollte es doch anderſtwohin abſtellen.
Dieſer wollte auch ungeſaͤumt folgen; aber
der Pfarrer ſagte: Hans, laß' es nur ſtehen,
das macht gar nichts. —
Und nachdem der Vogt alſo auf dem Tauf-
ſtein geeſſen und getrunken, und ſo alles mit-
leidig und liebreich um ihn herum ſtand, ſag-
te der Pfarrer zu ihm: „Willſt du izt nicht
auch gern die Leute alle, von denen vielleicht
wenige ſind, die du nicht beleidiget und ge-
kraͤnkt haſt, um Verziehung bitten?“ „Ach,
mein Gott! Gern, Herr Pfarrer! ſagte der
Vogt, wandte ſich gegen die Umſtehenden
und ſagte: „Verziehet mir doch alle um Got-
tes Willen!“ — Er konnte nicht mehr re-
den: Aber er ſahe ſie alle ſo wehmuͤthig und
erſchlagen an, daß Jedermann weich ward;
Weib und Mann ſtrekten ihm von allen Sei-
ten die Haͤnde dar, und ſagten: „Es iſt
mehr als verziegen!“ — Wie es ihn freute,
daß ihm alles die Hand zuſtrekte — Wie er
lange rechts und links mit beyden Armen nach
allen Haͤnden haſchte, und mit hunderterley
Bewegungen zitternd eine jede druͤkte, das
kannſt du dir vorſtellen, Leſer! Aber beſchrei-
ben kann ich es nicht. — Nach einer Weile
ſagte der Pfarrer zum Vogt: „Jch denke
Vogt,
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/33>, abgerufen am 24.11.2024.
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