Jch will das einige Beyspiel des Wer- bens anbringen -- Er lokte unter dem Ti- tul, bey den Werbungen seye alles frey, fremde Pursche in sein Haus, ließ sie zu- erst alle Bosheit treiben, und spielen und sauffen; wenn aber der Kerl, den er suchte, dadurch nicht ins Garn wollte, so nahm er ihn dann beyseyts, fragte ihn als Vogt um Kundschaft und Handthierung, zerrisse ihm wohl gar seine Pässe, nahm eine Sprache an, wie wenn er vor Sorgfalt für's Land, und vor oberkeitlichem Dienst und Treu ver- bersten (zerspringen) wollte -- Du bist ein Strolch (Landstreicher) und ein Taugenichts, sagte er dann zu solch einem armen Tropf, du ziehst dem Schelmenleben nach, gäll, du magst deinem König nicht dienen, und deinen El- tern nicht folgen, und nicht arbeiten, darum kannst du nicht zu Haus bleiben, u. willt in unserm Land dich mit Schlendern und Bätteln und Leutbetriegen erhalten. Ja, unser Land ist ein freyes und gelobtes Land, aber nicht für Strolchen, die keine Hand- thierung haben wie du. -- Dann drohte er mit Prügeln, mit Einsperren, mit ins Ober- amt führen, bis der arme Teufel entweder Dienst nahm, oder ihm etwas von seiner Waar zum Dank gab, daß er ihn wieder frey ließ -- So brauchte er den Namen
Ober-
Jch will das einige Beyſpiel des Wer- bens anbringen — Er lokte unter dem Ti- tul, bey den Werbungen ſeye alles frey, fremde Purſche in ſein Haus, ließ ſie zu- erſt alle Bosheit treiben, und ſpielen und ſauffen; wenn aber der Kerl, den er ſuchte, dadurch nicht ins Garn wollte, ſo nahm er ihn dann beyſeyts, fragte ihn als Vogt um Kundſchaft und Handthierung, zerriſſe ihm wohl gar ſeine Paͤſſe, nahm eine Sprache an, wie wenn er vor Sorgfalt fuͤr's Land, und vor oberkeitlichem Dienſt und Treu ver- berſten (zerſpringen) wollte — Du biſt ein Strolch (Landſtreicher) und ein Taugenichts, ſagte er dañ zu ſolch einem armen Tropf, du ziehſt dem Schelmenleben nach, gaͤll, du magſt deinem Koͤnig nicht dienen, und deinen El- tern nicht folgen, und nicht arbeiten, darum kannſt du nicht zu Haus bleiben, u. willt in unſerm Land dich mit Schlendern und Baͤtteln und Leutbetriegen erhalten. Ja, unſer Land iſt ein freyes und gelobtes Land, aber nicht fuͤr Strolchen, die keine Hand- thierung haben wie du. — Dann drohte er mit Pruͤgeln, mit Einſperren, mit ins Ober- amt fuͤhren, bis der arme Teufel entweder Dienſt nahm, oder ihm etwas von ſeiner Waar zum Dank gab, daß er ihn wieder frey ließ — So brauchte er den Namen
Ober-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0317"n="299"/><p>Jch will das einige Beyſpiel des Wer-<lb/>
bens anbringen — Er lokte unter dem Ti-<lb/>
tul, bey den Werbungen ſeye alles frey,<lb/>
fremde Purſche in ſein Haus, ließ ſie zu-<lb/>
erſt alle Bosheit treiben, und ſpielen und<lb/>ſauffen; wenn aber der Kerl, den er ſuchte,<lb/>
dadurch nicht ins Garn wollte, ſo nahm er<lb/>
ihn dann beyſeyts, fragte ihn als Vogt um<lb/>
Kundſchaft und Handthierung, zerriſſe ihm<lb/>
wohl gar ſeine Paͤſſe, nahm eine Sprache<lb/>
an, wie wenn er vor Sorgfalt fuͤr's Land,<lb/>
und vor oberkeitlichem Dienſt und Treu ver-<lb/>
berſten (zerſpringen) wollte — Du biſt ein<lb/>
Strolch (Landſtreicher) und ein Taugenichts,<lb/>ſagte er dañ zu ſolch einem armen Tropf, du<lb/>
ziehſt dem Schelmenleben nach, gaͤll, du magſt<lb/>
deinem Koͤnig nicht dienen, und deinen El-<lb/>
tern nicht folgen, und nicht arbeiten, darum<lb/>
kannſt du nicht zu Haus bleiben, u. willt<lb/>
in unſerm Land dich mit Schlendern und<lb/>
Baͤtteln und Leutbetriegen erhalten. Ja,<lb/>
unſer Land iſt ein freyes und gelobtes Land,<lb/>
aber nicht fuͤr Strolchen, die keine Hand-<lb/>
thierung haben wie du. — Dann drohte er<lb/>
mit Pruͤgeln, mit Einſperren, mit ins Ober-<lb/>
amt fuͤhren, bis der arme Teufel entweder<lb/>
Dienſt nahm, oder ihm etwas von ſeiner<lb/>
Waar zum Dank gab, daß er ihn wieder<lb/>
frey ließ — So brauchte er den Namen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ober-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[299/0317]
Jch will das einige Beyſpiel des Wer-
bens anbringen — Er lokte unter dem Ti-
tul, bey den Werbungen ſeye alles frey,
fremde Purſche in ſein Haus, ließ ſie zu-
erſt alle Bosheit treiben, und ſpielen und
ſauffen; wenn aber der Kerl, den er ſuchte,
dadurch nicht ins Garn wollte, ſo nahm er
ihn dann beyſeyts, fragte ihn als Vogt um
Kundſchaft und Handthierung, zerriſſe ihm
wohl gar ſeine Paͤſſe, nahm eine Sprache
an, wie wenn er vor Sorgfalt fuͤr's Land,
und vor oberkeitlichem Dienſt und Treu ver-
berſten (zerſpringen) wollte — Du biſt ein
Strolch (Landſtreicher) und ein Taugenichts,
ſagte er dañ zu ſolch einem armen Tropf, du
ziehſt dem Schelmenleben nach, gaͤll, du magſt
deinem Koͤnig nicht dienen, und deinen El-
tern nicht folgen, und nicht arbeiten, darum
kannſt du nicht zu Haus bleiben, u. willt
in unſerm Land dich mit Schlendern und
Baͤtteln und Leutbetriegen erhalten. Ja,
unſer Land iſt ein freyes und gelobtes Land,
aber nicht fuͤr Strolchen, die keine Hand-
thierung haben wie du. — Dann drohte er
mit Pruͤgeln, mit Einſperren, mit ins Ober-
amt fuͤhren, bis der arme Teufel entweder
Dienſt nahm, oder ihm etwas von ſeiner
Waar zum Dank gab, daß er ihn wieder
frey ließ — So brauchte er den Namen
Ober-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/317>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.