Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Bieget euere Kinder, fast ehe sie noch
wissen, was links oder rechts ist, zu dem,
wozu sie gebogen seyn müssen.

Und sie werden euch bis ans Grab dan-
ken, wen ihr sie zum Guten gezogen, und
ins Joch des armen Lebens gebogen, ehe sie
noch wissen warum. --

Er sagte seiner Mutter und seinem Va-
ter, wenn sie ihm etwas zeigen wollten,
alle Augenblike: "Du kannst es selbst nicht."
Er spottete sie aus: Ja, ja -- So, so --
gelt aber? und d. g. Das waren die ge-
wohnlichen Antworten, die er ihnen gab,
wenn sie im Ernste etwas zu ihm sagten.
Er hatte ein Gedächtniß, das ihm alles Ler-
nen wie nichts war; aber er trieb mit al-
lem, was er konnte, nur Hoffart, lachte die
andern aus, wenn sie es minder konnten,
und hatte über nichts so eine Freude, als
wenn er machen konnte, daß sie zu Schan-
den wurden.

Er flüsterte einst einem Kinde auf die
Frage: Wer der Schlangentreter gewesen
sey? ein; der Teufel. Der Pfarrer schimpf-
te auf das arme Kind abscheulich wegen
dieser Antwort, und fragte hierauf ihn.
Der Bösewicht war im Stand, ohne ein
Maul zu verzeuhen, zu antworten: Der

Schlan-

Bieget euere Kinder, faſt ehe ſie noch
wiſſen, was links oder rechts iſt, zu dem,
wozu ſie gebogen ſeyn muͤſſen.

Und ſie werden euch bis ans Grab dan-
ken, wen ihr ſie zum Guten gezogen, und
ins Joch des armen Lebens gebogen, ehe ſie
noch wiſſen warum. —

Er ſagte ſeiner Mutter und ſeinem Va-
ter, wenn ſie ihm etwas zeigen wollten,
alle Augenblike: „Du kannſt es ſelbſt nicht.“
Er ſpottete ſie aus: Ja, ja — So, ſo —
gelt aber? und d. g. Das waren die ge-
wohnlichen Antworten, die er ihnen gab,
wenn ſie im Ernſte etwas zu ihm ſagten.
Er hatte ein Gedaͤchtniß, das ihm alles Ler-
nen wie nichts war; aber er trieb mit al-
lem, was er konnte, nur Hoffart, lachte die
andern aus, wenn ſie es minder konnten,
und hatte uͤber nichts ſo eine Freude, als
wenn er machen konnte, daß ſie zu Schan-
den wurden.

Er fluͤſterte einſt einem Kinde auf die
Frage: Wer der Schlangentreter geweſen
ſey? ein; der Teufel. Der Pfarrer ſchimpf-
te auf das arme Kind abſcheulich wegen
dieſer Antwort, und fragte hierauf ihn.
Der Boͤſewicht war im Stand, ohne ein
Maul zu verzeuhen, zu antworten: Der

Schlan-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0268" n="250"/>
          <p>Bieget euere Kinder, fa&#x017F;t ehe &#x017F;ie noch<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, was links oder rechts i&#x017F;t, zu dem,<lb/>
wozu &#x017F;ie gebogen &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Und &#x017F;ie werden euch bis ans Grab dan-<lb/>
ken, wen ihr &#x017F;ie zum Guten gezogen, und<lb/>
ins Joch des armen Lebens gebogen, ehe &#x017F;ie<lb/>
noch wi&#x017F;&#x017F;en warum. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;agte &#x017F;einer Mutter und &#x017F;einem Va-<lb/>
ter, wenn &#x017F;ie ihm etwas zeigen wollten,<lb/>
alle Augenblike: &#x201E;Du kann&#x017F;t es &#x017F;elb&#x017F;t nicht.&#x201C;<lb/>
Er &#x017F;pottete &#x017F;ie aus: Ja, ja &#x2014; So, &#x017F;o &#x2014;<lb/>
gelt aber? und d. g. Das waren die ge-<lb/>
wohnlichen Antworten, die er ihnen gab,<lb/>
wenn &#x017F;ie im Ern&#x017F;te etwas zu ihm &#x017F;agten.<lb/>
Er hatte ein Geda&#x0364;chtniß, das ihm alles Ler-<lb/>
nen wie nichts war; aber er trieb mit al-<lb/>
lem, was er konnte, nur Hoffart, lachte die<lb/>
andern aus, wenn &#x017F;ie es minder konnten,<lb/>
und hatte u&#x0364;ber nichts &#x017F;o eine Freude, als<lb/>
wenn er machen konnte, daß &#x017F;ie zu Schan-<lb/>
den wurden.</p><lb/>
          <p>Er flu&#x0364;&#x017F;terte ein&#x017F;t einem Kinde auf die<lb/>
Frage: Wer der Schlangentreter gewe&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ey? ein; der Teufel. Der Pfarrer &#x017F;chimpf-<lb/>
te auf das arme Kind ab&#x017F;cheulich wegen<lb/>
die&#x017F;er Antwort, und fragte hierauf ihn.<lb/>
Der Bo&#x0364;&#x017F;ewicht war im Stand, ohne ein<lb/>
Maul zu verzeuhen, zu antworten: Der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Schlan-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0268] Bieget euere Kinder, faſt ehe ſie noch wiſſen, was links oder rechts iſt, zu dem, wozu ſie gebogen ſeyn muͤſſen. Und ſie werden euch bis ans Grab dan- ken, wen ihr ſie zum Guten gezogen, und ins Joch des armen Lebens gebogen, ehe ſie noch wiſſen warum. — Er ſagte ſeiner Mutter und ſeinem Va- ter, wenn ſie ihm etwas zeigen wollten, alle Augenblike: „Du kannſt es ſelbſt nicht.“ Er ſpottete ſie aus: Ja, ja — So, ſo — gelt aber? und d. g. Das waren die ge- wohnlichen Antworten, die er ihnen gab, wenn ſie im Ernſte etwas zu ihm ſagten. Er hatte ein Gedaͤchtniß, das ihm alles Ler- nen wie nichts war; aber er trieb mit al- lem, was er konnte, nur Hoffart, lachte die andern aus, wenn ſie es minder konnten, und hatte uͤber nichts ſo eine Freude, als wenn er machen konnte, daß ſie zu Schan- den wurden. Er fluͤſterte einſt einem Kinde auf die Frage: Wer der Schlangentreter geweſen ſey? ein; der Teufel. Der Pfarrer ſchimpf- te auf das arme Kind abſcheulich wegen dieſer Antwort, und fragte hierauf ihn. Der Boͤſewicht war im Stand, ohne ein Maul zu verzeuhen, zu antworten: Der Schlan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/268
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/268>, abgerufen am 25.11.2024.