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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Und wenn sie mich noch elender gemacht
hätten, so danke ich izt Gott, daß ich bey
ihr gewesen, erwiederte die Frau.

Der Renold sah sie steif an, und sagte:
"Du wirst izt wohl viel davon haben, daß
du gegangen." -- Jhr Elend gieng ihm
nämlich so sehr zu Herzen, daß ihm dieses
unvorsichtige Wort entwitscht; und es ist
ihm nicht zu verargen; die Kinder waren
halb nakend auf dem Arm der Mutter.

Die Hoorlacherin aber antwortete: "Re-
nold, ich hab izt erfahren, wenn man in
seinem Herzen aufgemuntert und beruhigt
wird, so ists mehr, als wenn man geessen."

Der Renold schämte sich, und sagte:
"Nun Gott Lob! wenn sie dir etwas Gu-
tes gethan hat." Und die Frau: "Renold!
wenn alle Arme ihr Unrecht gethan, und sie
elend gemacht hätten, wie sie uns, wir hät-
ten alle mit einander nicht wehmüthiger vor
ihrem Bette stehen können."

Das ist doch sonderbar, sagte der Renold,
und ließ sich alle Worte, die die Vögtin
geredet, und alle Umstände, die dabey vor-
gefallen, von der Frauen erzählen.

Da sie fertig war, und nun weiters ge-
hen wollte, sagte er zu ihr: "Wart noch
einen Augenblik, ich muß dir, glaub' ich,
noch etwas sagen." Er stuhnd dann auf,

gieng

Und wenn ſie mich noch elender gemacht
haͤtten, ſo danke ich izt Gott, daß ich bey
ihr geweſen, erwiederte die Frau.

Der Renold ſah ſie ſteif an, und ſagte:
„Du wirſt izt wohl viel davon haben, daß
du gegangen.“ — Jhr Elend gieng ihm
naͤmlich ſo ſehr zu Herzen, daß ihm dieſes
unvorſichtige Wort entwitſcht; und es iſt
ihm nicht zu verargen; die Kinder waren
halb nakend auf dem Arm der Mutter.

Die Hoorlacherin aber antwortete: „Re-
nold, ich hab izt erfahren, wenn man in
ſeinem Herzen aufgemuntert und beruhigt
wird, ſo iſts mehr, als wenn man geeſſen.“

Der Renold ſchaͤmte ſich, und ſagte:
„Nun Gott Lob! wenn ſie dir etwas Gu-
tes gethan hat.“ Und die Frau: „Renold!
wenn alle Arme ihr Unrecht gethan, und ſie
elend gemacht haͤtten, wie ſie uns, wir haͤt-
ten alle mit einander nicht wehmuͤthiger vor
ihrem Bette ſtehen koͤnnen.“

Das iſt doch ſonderbar, ſagte der Renold,
und ließ ſich alle Worte, die die Voͤgtin
geredet, und alle Umſtaͤnde, die dabey vor-
gefallen, von der Frauen erzaͤhlen.

Da ſie fertig war, und nun weiters ge-
hen wollte, ſagte er zu ihr: „Wart noch
einen Augenblik, ich muß dir, glaub' ich,
noch etwas ſagen.“ Er ſtuhnd dann auf,

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[230/0248] Und wenn ſie mich noch elender gemacht haͤtten, ſo danke ich izt Gott, daß ich bey ihr geweſen, erwiederte die Frau. Der Renold ſah ſie ſteif an, und ſagte: „Du wirſt izt wohl viel davon haben, daß du gegangen.“ — Jhr Elend gieng ihm naͤmlich ſo ſehr zu Herzen, daß ihm dieſes unvorſichtige Wort entwitſcht; und es iſt ihm nicht zu verargen; die Kinder waren halb nakend auf dem Arm der Mutter. Die Hoorlacherin aber antwortete: „Re- nold, ich hab izt erfahren, wenn man in ſeinem Herzen aufgemuntert und beruhigt wird, ſo iſts mehr, als wenn man geeſſen.“ Der Renold ſchaͤmte ſich, und ſagte: „Nun Gott Lob! wenn ſie dir etwas Gu- tes gethan hat.“ Und die Frau: „Renold! wenn alle Arme ihr Unrecht gethan, und ſie elend gemacht haͤtten, wie ſie uns, wir haͤt- ten alle mit einander nicht wehmuͤthiger vor ihrem Bette ſtehen koͤnnen.“ Das iſt doch ſonderbar, ſagte der Renold, und ließ ſich alle Worte, die die Voͤgtin geredet, und alle Umſtaͤnde, die dabey vor- gefallen, von der Frauen erzaͤhlen. Da ſie fertig war, und nun weiters ge- hen wollte, ſagte er zu ihr: „Wart noch einen Augenblik, ich muß dir, glaub' ich, noch etwas ſagen.“ Er ſtuhnd dann auf, gieng

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/248>, abgerufen am 22.11.2024.