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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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Meine Seele preise den Herrn, und mein
Geist lobe seinen Namen, denn er hat der
Sterbenden Barmherzigkeit bewiesen, er
hat ihr ihre Sünden verziehen, und ihre
Missethat ausgelöschet. Jhre Armen bethen
für sie, und die, so sie unterdrükt, wainen
für sie; selbst die Thränen des Unmündi-
gen auf dem Schooße bethen für sie zum
Herrn. Preise meine Seele den Herrn, u.
lobe, o mein Geist, seinen Namen!

Das Volk der Armen stand alles auf;
aus Einem Mund thönte Verzeihung und
Liebe; und der Pfarrer fiel mitten unter den
Armen auf seine Knie, hob seine Augen
gen Himmel, und bethete still, daß der Se-
genseindruk dieser Stunde nicht erlösche im
Herzen der Armen, bis sie alle auch ihren
Lauff vollendet.

Da er wieder aufstuhnd, sagte Gertrud
zu ihm, die Vögtin habe izt Ruhe nöthig.
Dieser sagte es den Armen, und sie giengen
still einer nach dem andern fort.

Der Pfarrer fand den Treufaug in der
Kammer so durch und durch bewegt, daß er
ihm von freyen Stuken sagte, er könne es
nicht mehr aushalten, und wolle in Gottes
Namen niemand mehr Arzneyen geben. Er
bath den Pfarrer, die Vögtin für ihn um

Ver-

Meine Seele preiſe den Herrn, und mein
Geiſt lobe ſeinen Namen, denn er hat der
Sterbenden Barmherzigkeit bewieſen, er
hat ihr ihre Suͤnden verziehen, und ihre
Miſſethat ausgeloͤſchet. Jhre Armen bethen
fuͤr ſie, und die, ſo ſie unterdruͤkt, wainen
fuͤr ſie; ſelbſt die Thraͤnen des Unmuͤndi-
gen auf dem Schooße bethen fuͤr ſie zum
Herrn. Preiſe meine Seele den Herrn, u.
lobe, o mein Geiſt, ſeinen Namen!

Das Volk der Armen ſtand alles auf;
aus Einem Mund thoͤnte Verzeihung und
Liebe; und der Pfarrer fiel mitten unter den
Armen auf ſeine Knie, hob ſeine Augen
gen Himmel, und bethete ſtill, daß der Se-
genseindruk dieſer Stunde nicht erloͤſche im
Herzen der Armen, bis ſie alle auch ihren
Lauff vollendet.

Da er wieder aufſtuhnd, ſagte Gertrud
zu ihm, die Voͤgtin habe izt Ruhe noͤthig.
Dieſer ſagte es den Armen, und ſie giengen
ſtill einer nach dem andern fort.

Der Pfarrer fand den Treufaug in der
Kammer ſo durch und durch bewegt, daß er
ihm von freyen Stuken ſagte, er koͤnne es
nicht mehr aushalten, und wolle in Gottes
Namen niemand mehr Arzneyen geben. Er
bath den Pfarrer, die Voͤgtin fuͤr ihn um

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[228/0246] Meine Seele preiſe den Herrn, und mein Geiſt lobe ſeinen Namen, denn er hat der Sterbenden Barmherzigkeit bewieſen, er hat ihr ihre Suͤnden verziehen, und ihre Miſſethat ausgeloͤſchet. Jhre Armen bethen fuͤr ſie, und die, ſo ſie unterdruͤkt, wainen fuͤr ſie; ſelbſt die Thraͤnen des Unmuͤndi- gen auf dem Schooße bethen fuͤr ſie zum Herrn. Preiſe meine Seele den Herrn, u. lobe, o mein Geiſt, ſeinen Namen! Das Volk der Armen ſtand alles auf; aus Einem Mund thoͤnte Verzeihung und Liebe; und der Pfarrer fiel mitten unter den Armen auf ſeine Knie, hob ſeine Augen gen Himmel, und bethete ſtill, daß der Se- genseindruk dieſer Stunde nicht erloͤſche im Herzen der Armen, bis ſie alle auch ihren Lauff vollendet. Da er wieder aufſtuhnd, ſagte Gertrud zu ihm, die Voͤgtin habe izt Ruhe noͤthig. Dieſer ſagte es den Armen, und ſie giengen ſtill einer nach dem andern fort. Der Pfarrer fand den Treufaug in der Kammer ſo durch und durch bewegt, daß er ihm von freyen Stuken ſagte, er koͤnne es nicht mehr aushalten, und wolle in Gottes Namen niemand mehr Arzneyen geben. Er bath den Pfarrer, die Voͤgtin fuͤr ihn um Ver-

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/246>, abgerufen am 25.11.2024.