"Es ist mir izt auch also entwitscht, ohne daß ich es habe sagen wollen. Sinn doch izt nicht an das, Gott wird uns wohl helf- fen." --
§. 61. Die Menschen sind so gerne gut, und werden so gerne wieder gut.
Der Morgen ihres Todestages war nun da. Sie erwachte nach einem erqui- kenden Schlummer, und sah staunend aus ihrem Bette die Sonne, die ihr nun zum lezten Mal auf dieser Welt aufgieng. Jen- seits des Grabes wartet meiner eine bessere Sonne, war der Gedanken, den sie bey diesem Anblik hatte.
Gertrud war vor ihrem Erwachen schon bey ihr, und erquikte ihr jeden Augenblik die Leiden ihres schmerzhaften Lagers, bald troknete sie ihr den Schweiß von der Stir- ne, bald legte sie ihre Kopfküssen zurecht, bald kehrte sie sie auf die linke, bald auf die rechte Seite; sie reinigte die Luft ihrer Stube mit Eßig, und stellte alle Stühle u. Bänke, so im Hause waren, den Armen, die nun kommen sollten, zurecht.
Als
„Es iſt mir izt auch alſo entwitſcht, ohne daß ich es habe ſagen wollen. Sinn doch izt nicht an das, Gott wird uns wohl helf- fen.“ —
§. 61. Die Menſchen ſind ſo gerne gut, und werden ſo gerne wieder gut.
Der Morgen ihres Todestages war nun da. Sie erwachte nach einem erqui- kenden Schlummer, und ſah ſtaunend aus ihrem Bette die Sonne, die ihr nun zum lezten Mal auf dieſer Welt aufgieng. Jen- ſeits des Grabes wartet meiner eine beſſere Sonne, war der Gedanken, den ſie bey dieſem Anblik hatte.
Gertrud war vor ihrem Erwachen ſchon bey ihr, und erquikte ihr jeden Augenblik die Leiden ihres ſchmerzhaften Lagers, bald troknete ſie ihr den Schweiß von der Stir- ne, bald legte ſie ihre Kopfkuͤſſen zurecht, bald kehrte ſie ſie auf die linke, bald auf die rechte Seite; ſie reinigte die Luft ihrer Stube mit Eßig, und ſtellte alle Stuͤhle u. Baͤnke, ſo im Hauſe waren, den Armen, die nun kommen ſollten, zurecht.
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„Es iſt mir izt auch alſo entwitſcht, ohne
daß ich es habe ſagen wollen. Sinn doch
izt nicht an das, Gott wird uns wohl helf-
fen.“ —
§. 61.
Die Menſchen ſind ſo gerne gut,
und werden ſo gerne
wieder gut.
Der Morgen ihres Todestages war nun
da. Sie erwachte nach einem erqui-
kenden Schlummer, und ſah ſtaunend aus
ihrem Bette die Sonne, die ihr nun zum
lezten Mal auf dieſer Welt aufgieng. Jen-
ſeits des Grabes wartet meiner eine beſſere
Sonne, war der Gedanken, den ſie bey
dieſem Anblik hatte.
Gertrud war vor ihrem Erwachen ſchon
bey ihr, und erquikte ihr jeden Augenblik
die Leiden ihres ſchmerzhaften Lagers, bald
troknete ſie ihr den Schweiß von der Stir-
ne, bald legte ſie ihre Kopfkuͤſſen zurecht,
bald kehrte ſie ſie auf die linke, bald auf
die rechte Seite; ſie reinigte die Luft ihrer
Stube mit Eßig, und ſtellte alle Stuͤhle u.
Baͤnke, ſo im Hauſe waren, den Armen,
die nun kommen ſollten, zurecht.
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/239>, abgerufen am 23.11.2024.
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