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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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"Wie er doch sein Lebtag keinem Kinde
nichts zu Leide gethan, und über die 50.
Jahre mit jedermann in Fried und Liebe ge-
lebt, aber izt auf einmal ein Hexenmeister
seyn sollte, und von seinen besten Leuten ge-
flohen würde, wie wenn er die Pest mit sich
herum trüge.

Der Junker sah einen Augenblik zu, was
diese Klage izt für einen Eindruk machen
wolle.

Die Bauren stießen die Köpfe zusammen,
und einige sagten überlaut: "Das Hexenwe-
sen wird izt bald vergessen werden, weil die
Gemeindwayde vertheilt ist.

Der Junker that, wie wenn er das nicht
hörte, und drohte ihnen, den Mann zu ih-
rem Siegrist (Meßmer) zu machen, wenn
sie ihn unter dem Titul, als ob er ein He-
xenmeister sey, um sein tägliches Brod zu
bringen fortfahren würden.

"Glauben kann ein jeder von euch, was
er will; aber einen andern mit euerm Glau-
ben zu kränken, und ihm Unrecht zu thun,
davor will ich euch bewahren," sagte er zu
ihnen; und wiederhollte: "Wenn ihr den
Mann nicht wie vorhin in eure Stuben u.
in eure Ställe hineinlasset, so will ich ihn
euch bey euern Kindstauffen, und bey euern
Hochzeiten an die Seite stellen."

"Es

„Wie er doch ſein Lebtag keinem Kinde
nichts zu Leide gethan, und uͤber die 50.
Jahre mit jedermann in Fried und Liebe ge-
lebt, aber izt auf einmal ein Hexenmeiſter
ſeyn ſollte, und von ſeinen beſten Leuten ge-
flohen wuͤrde, wie wenn er die Peſt mit ſich
herum truͤge.

Der Junker ſah einen Augenblik zu, was
dieſe Klage izt fuͤr einen Eindruk machen
wolle.

Die Bauren ſtießen die Koͤpfe zuſammen,
und einige ſagten uͤberlaut: „Das Hexenwe-
ſen wird izt bald vergeſſen werden, weil die
Gemeindwayde vertheilt iſt.

Der Junker that, wie wenn er das nicht
hoͤrte, und drohte ihnen, den Mann zu ih-
rem Siegriſt (Meßmer) zu machen, wenn
ſie ihn unter dem Titul, als ob er ein He-
xenmeiſter ſey, um ſein taͤgliches Brod zu
bringen fortfahren wuͤrden.

„Glauben kann ein jeder von euch, was
er will; aber einen andern mit euerm Glau-
ben zu kraͤnken, und ihm Unrecht zu thun,
davor will ich euch bewahren,“ ſagte er zu
ihnen; und wiederhollte: „Wenn ihr den
Mann nicht wie vorhin in eure Stuben u.
in eure Staͤlle hineinlaſſet, ſo will ich ihn
euch bey euern Kindstauffen, und bey euern
Hochzeiten an die Seite ſtellen.“

„Es
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[202/0220] „Wie er doch ſein Lebtag keinem Kinde nichts zu Leide gethan, und uͤber die 50. Jahre mit jedermann in Fried und Liebe ge- lebt, aber izt auf einmal ein Hexenmeiſter ſeyn ſollte, und von ſeinen beſten Leuten ge- flohen wuͤrde, wie wenn er die Peſt mit ſich herum truͤge. Der Junker ſah einen Augenblik zu, was dieſe Klage izt fuͤr einen Eindruk machen wolle. Die Bauren ſtießen die Koͤpfe zuſammen, und einige ſagten uͤberlaut: „Das Hexenwe- ſen wird izt bald vergeſſen werden, weil die Gemeindwayde vertheilt iſt. Der Junker that, wie wenn er das nicht hoͤrte, und drohte ihnen, den Mann zu ih- rem Siegriſt (Meßmer) zu machen, wenn ſie ihn unter dem Titul, als ob er ein He- xenmeiſter ſey, um ſein taͤgliches Brod zu bringen fortfahren wuͤrden. „Glauben kann ein jeder von euch, was er will; aber einen andern mit euerm Glau- ben zu kraͤnken, und ihm Unrecht zu thun, davor will ich euch bewahren,“ ſagte er zu ihnen; und wiederhollte: „Wenn ihr den Mann nicht wie vorhin in eure Stuben u. in eure Staͤlle hineinlaſſet, ſo will ich ihn euch bey euern Kindstauffen, und bey euern Hochzeiten an die Seite ſtellen.“ „Es

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/220>, abgerufen am 23.11.2024.