auf. Sie hatte bey Jahr und Tagen einen gar großen Glauben an den Johann Jakob Christoph Friedrich Hartknopf, den Chor- richter und Ehegaumer in Bonnal -- den sie bey Tag und Nacht bey sich im Hause steken ließ. Diese sagte dann ihrem Mann: Sie habe sich doch auch dawider verflucht und verschworen, und es izt doch thun müs- sen; und ob ihr das nicht an ihrer Seligkeit schaden könne?
"Du must den Hartknopf darüber fragen," antwortete der Mann.
"Das will ich auch", sagte die Frau.
"Jch glaub' dir's," erwiederte der Mann, und erzählte ihr dann, daß der Prophet, wie er ihn nannte, an der Gemeinde wegen eines gestohlenen Rokfutters -- erbärmlich zu Schanden gemacht worden, und sezte hin- zu, er wolle ihn mit dem Hund vom Hause wegjagen, wenn er wieder kommen würde.
Aber es ist der Frau ob dieser Erzählung beynahe ohnmächtig worden, und ob der Drohung, daß ihr Prophet nicht mehr zum Hause hinzu dörffe, vergaß sie vollends wei- ter daran zu denken: Ob es ihr nicht etwa an der Seligkeit schaden könnte, daß sie den Schwur wegen des Hünerträgers nicht hal- ten können. --
Vie-
auf. Sie hatte bey Jahr und Tagen einen gar großen Glauben an den Johann Jakob Chriſtoph Friedrich Hartknopf, den Chor- richter und Ehegaumer in Bonnal — den ſie bey Tag und Nacht bey ſich im Hauſe ſteken ließ. Dieſe ſagte dann ihrem Mann: Sie habe ſich doch auch dawider verflucht und verſchworen, und es izt doch thun muͤſ- ſen; und ob ihr das nicht an ihrer Seligkeit ſchaden koͤnne?
„Du muſt den Hartknopf daruͤber fragen,“ antwortete der Mann.
„Das will ich auch“, ſagte die Frau.
„Jch glaub' dir's,“ erwiederte der Mann, und erzaͤhlte ihr dann, daß der Prophet, wie er ihn nannte, an der Gemeinde wegen eines geſtohlenen Rokfutters — erbaͤrmlich zu Schanden gemacht worden, und ſezte hin- zu, er wolle ihn mit dem Hund vom Hauſe wegjagen, wenn er wieder kommen wuͤrde.
Aber es iſt der Frau ob dieſer Erzaͤhlung beynahe ohnmaͤchtig worden, und ob der Drohung, daß ihr Prophet nicht mehr zum Hauſe hinzu doͤrffe, vergaß ſie vollends wei- ter daran zu denken: Ob es ihr nicht etwa an der Seligkeit ſchaden koͤnnte, daß ſie den Schwur wegen des Huͤnertraͤgers nicht hal- ten koͤnnen. —
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auf. Sie hatte bey Jahr und Tagen einen
gar großen Glauben an den Johann Jakob
Chriſtoph Friedrich Hartknopf, den Chor-
richter und Ehegaumer in Bonnal — den
ſie bey Tag und Nacht bey ſich im Hauſe
ſteken ließ. Dieſe ſagte dann ihrem Mann:
Sie habe ſich doch auch dawider verflucht
und verſchworen, und es izt doch thun muͤſ-
ſen; und ob ihr das nicht an ihrer Seligkeit
ſchaden koͤnne?
„Du muſt den Hartknopf daruͤber fragen,“
antwortete der Mann.
„Das will ich auch“, ſagte die Frau.
„Jch glaub' dir's,“ erwiederte der Mann,
und erzaͤhlte ihr dann, daß der Prophet,
wie er ihn nannte, an der Gemeinde wegen
eines geſtohlenen Rokfutters — erbaͤrmlich
zu Schanden gemacht worden, und ſezte hin-
zu, er wolle ihn mit dem Hund vom Hauſe
wegjagen, wenn er wieder kommen wuͤrde.
Aber es iſt der Frau ob dieſer Erzaͤhlung
beynahe ohnmaͤchtig worden, und ob der
Drohung, daß ihr Prophet nicht mehr zum
Hauſe hinzu doͤrffe, vergaß ſie vollends wei-
ter daran zu denken: Ob es ihr nicht etwa
an der Seligkeit ſchaden koͤnnte, daß ſie den
Schwur wegen des Huͤnertraͤgers nicht hal-
ten koͤnnen. —
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/216>, abgerufen am 23.11.2024.
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