Der Vogt gieng izt zum Kienholz, und sagte der Stuben voll Herren, sie müs- sen ihm ihr Heu und Vieh noch einmal an- geben.
"Warum das? sagten die Kerls -- Und da und dort sah ihn einer an, wie wenn er ihn fressen wollte.
"Er meynt, glaub ich, ihr oder ich seyen verirret", antwortete der Vogt.
"Er hat immer etwas zu meynen" -- sagte der Eine -- "Er kann ja selber kom- men und messen" -- sagte der Andre.
"Nein, wir wollens ihm auf der Nase abwägen; er hat izt eine, die länger als kein Waagkengel im Dorf" -- sagte des Kien- holzen Bub.
"Still du" -- sagte der Vater.
"Nein, im Ernst, sagte der Meyer, ich muß einem Jeden vorlesen, was er gesagt, und dann müßen zwey Vorgesezte unterschrei- ben, daß es ein jeder bestätiget."
"Hinter dem stekt der Teufel; Es kann dann keiner mehr sagen, du seyest mit der Fe-
der
§. 41. Bauren, die von ihrem Herrn reden.
Der Vogt gieng izt zum Kienholz, und ſagte der Stuben voll Herren, ſie muͤſ- ſen ihm ihr Heu und Vieh noch einmal an- geben.
„Warum das? ſagten die Kerls — Und da und dort ſah ihn einer an, wie wenn er ihn freſſen wollte.
„Er meynt, glaub ich, ihr oder ich ſeyen verirret“, antwortete der Vogt.
„Er hat immer etwas zu meynen“ — ſagte der Eine — „Er kann ja ſelber kom- men und meſſen“ — ſagte der Andre.
„Nein, wir wollens ihm auf der Naſe abwaͤgen; er hat izt eine, die laͤnger als kein Waagkengel im Dorf“ — ſagte des Kien- holzen Bub.
„Still du“ — ſagte der Vater.
„Nein, im Ernſt, ſagte der Meyer, ich muß einem Jeden vorleſen, was er geſagt, und dann muͤßen zwey Vorgeſezte unterſchrei- ben, daß es ein jeder beſtaͤtiget.“
„Hinter dem ſtekt der Teufel; Es kann dann keiner mehr ſagen, du ſeyeſt mit der Fe-
der
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§. 41.
Bauren, die von ihrem Herrn
reden.
Der Vogt gieng izt zum Kienholz, und
ſagte der Stuben voll Herren, ſie muͤſ-
ſen ihm ihr Heu und Vieh noch einmal an-
geben.
„Warum das? ſagten die Kerls — Und
da und dort ſah ihn einer an, wie wenn er
ihn freſſen wollte.
„Er meynt, glaub ich, ihr oder ich ſeyen
verirret“, antwortete der Vogt.
„Er hat immer etwas zu meynen“ —
ſagte der Eine — „Er kann ja ſelber kom-
men und meſſen“ — ſagte der Andre.
„Nein, wir wollens ihm auf der Naſe
abwaͤgen; er hat izt eine, die laͤnger als kein
Waagkengel im Dorf“ — ſagte des Kien-
holzen Bub.
„Still du“ — ſagte der Vater.
„Nein, im Ernſt, ſagte der Meyer, ich
muß einem Jeden vorleſen, was er geſagt,
und dann muͤßen zwey Vorgeſezte unterſchrei-
ben, daß es ein jeder beſtaͤtiget.“
„Hinter dem ſtekt der Teufel; Es kann
dann keiner mehr ſagen, du ſeyeſt mit der Fe-
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/168>, abgerufen am 16.02.2025.
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