Vögtin. Nein, ich hab ihn seit Mit- wochen nicht mehr gesehen.
Vogt. Jch denks wohl.
Vögtin. Warum?
Vogt. Weil er am Dienstag seinen Lohn dafür bekommen.
Vögtin. Von wem?
Vogt. Vom Pfarrer.
Vögtin. Hats der schon erfahren?
Vogt. Das glaub ich -- Es hat keine Stunde angetroffen, so hat ers gewußt; und du weist, am Dienstag kommen die Wochen- brödler ins Pfarrhaus, und der Kriecher schikt aus Hoffart immer ein Anders: Der Pfarrer aber gabs dießmal nicht, sonder sag- te, er soll nur selber kommen: Er wollte nicht gern, und sandte sein Kind, mit dem Bericht, er sey krank und im Bett, und er lasse doch darum bitten, sie haben keinen Mund voll im Haus. Der Pfarrer schikte aber auch dieß ohne Brod heim, mit der Antwort, er kenne seine Krankheit, sie sey schon alt, und das Spazieren thue im gut, und er soll und müße kommen, er wisse wohl warum. -- Zwischen Feuer und Licht kam er endlich; ich war just in der Nebenstube, und es ist mir, ich höre den Pfarrer noch izt mit der Faust auf den Tisch schlagen, daß er zitterte, und ihm dann sagen: "Kriecher,
du
Voͤgtin. Nein, ich hab ihn ſeit Mit- wochen nicht mehr geſehen.
Vogt. Jch denks wohl.
Voͤgtin. Warum?
Vogt. Weil er am Dienſtag ſeinen Lohn dafuͤr bekommen.
Voͤgtin. Von wem?
Vogt. Vom Pfarrer.
Voͤgtin. Hats der ſchon erfahren?
Vogt. Das glaub ich — Es hat keine Stunde angetroffen, ſo hat ers gewußt; und du weiſt, am Dienſtag kommen die Wochen- broͤdler ins Pfarrhaus, und der Kriecher ſchikt aus Hoffart immer ein Anders: Der Pfarrer aber gabs dießmal nicht, ſonder ſag- te, er ſoll nur ſelber kommen: Er wollte nicht gern, und ſandte ſein Kind, mit dem Bericht, er ſey krank und im Bett, und er laſſe doch darum bitten, ſie haben keinen Mund voll im Haus. Der Pfarrer ſchikte aber auch dieß ohne Brod heim, mit der Antwort, er kenne ſeine Krankheit, ſie ſey ſchon alt, und das Spazieren thue im gut, und er ſoll und muͤße kommen, er wiſſe wohl warum. — Zwiſchen Feuer und Licht kam er endlich; ich war juſt in der Nebenſtube, und es iſt mir, ich hoͤre den Pfarrer noch izt mit der Fauſt auf den Tiſch ſchlagen, daß er zitterte, und ihm dann ſagen: „Kriecher,
du
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0132"n="114"/><p><hirendition="#fr">Voͤgtin.</hi> Nein, ich hab ihn ſeit Mit-<lb/>
wochen nicht mehr geſehen.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Jch denks wohl.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Voͤgtin.</hi> Warum?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Weil er am Dienſtag ſeinen Lohn<lb/>
dafuͤr bekommen.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Voͤgtin.</hi> Von wem?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Vom Pfarrer.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Voͤgtin.</hi> Hats der ſchon erfahren?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Das glaub ich — Es hat keine<lb/>
Stunde angetroffen, ſo hat ers gewußt; und<lb/>
du weiſt, am Dienſtag kommen die Wochen-<lb/>
broͤdler ins Pfarrhaus, und der Kriecher<lb/>ſchikt aus Hoffart immer ein Anders: Der<lb/>
Pfarrer aber gabs dießmal nicht, ſonder ſag-<lb/>
te, er ſoll nur ſelber kommen: Er wollte<lb/>
nicht gern, und ſandte ſein Kind, mit dem<lb/>
Bericht, er ſey krank und im Bett, und er<lb/>
laſſe doch darum bitten, ſie haben keinen<lb/>
Mund voll im Haus. Der Pfarrer ſchikte<lb/>
aber auch dieß ohne Brod heim, mit der<lb/>
Antwort, er kenne ſeine Krankheit, ſie ſey<lb/>ſchon alt, und das Spazieren thue im gut,<lb/>
und er ſoll und muͤße kommen, er wiſſe wohl<lb/>
warum. — Zwiſchen Feuer und Licht kam<lb/>
er endlich; ich war juſt in der Nebenſtube,<lb/>
und es iſt mir, ich hoͤre den Pfarrer noch<lb/>
izt mit der Fauſt auf den Tiſch ſchlagen, daß<lb/>
er zitterte, und ihm dann ſagen: „Kriecher,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">du</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[114/0132]
Voͤgtin. Nein, ich hab ihn ſeit Mit-
wochen nicht mehr geſehen.
Vogt. Jch denks wohl.
Voͤgtin. Warum?
Vogt. Weil er am Dienſtag ſeinen Lohn
dafuͤr bekommen.
Voͤgtin. Von wem?
Vogt. Vom Pfarrer.
Voͤgtin. Hats der ſchon erfahren?
Vogt. Das glaub ich — Es hat keine
Stunde angetroffen, ſo hat ers gewußt; und
du weiſt, am Dienſtag kommen die Wochen-
broͤdler ins Pfarrhaus, und der Kriecher
ſchikt aus Hoffart immer ein Anders: Der
Pfarrer aber gabs dießmal nicht, ſonder ſag-
te, er ſoll nur ſelber kommen: Er wollte
nicht gern, und ſandte ſein Kind, mit dem
Bericht, er ſey krank und im Bett, und er
laſſe doch darum bitten, ſie haben keinen
Mund voll im Haus. Der Pfarrer ſchikte
aber auch dieß ohne Brod heim, mit der
Antwort, er kenne ſeine Krankheit, ſie ſey
ſchon alt, und das Spazieren thue im gut,
und er ſoll und muͤße kommen, er wiſſe wohl
warum. — Zwiſchen Feuer und Licht kam
er endlich; ich war juſt in der Nebenſtube,
und es iſt mir, ich hoͤre den Pfarrer noch
izt mit der Fauſt auf den Tiſch ſchlagen, daß
er zitterte, und ihm dann ſagen: „Kriecher,
du
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/132>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.