mit euch hat, der kommt ins Unglük." -- Die Stubenthür schlug sie zu, daß sie aus dem Angel fuhr. --
Vogt. Es nihmt mich nicht Wunder, ich kannte sie meiner Lebtag für das. --
Vögtin. Es ist wahr; aber du weissest doch auch, wie viel Guts sie bey uns genos- sen, und daß sie allemal, wenn etwas mehr als all Tag in die Kuche kam, zugeschlichen, und den Ranzen gefüllt, ohne mir einen Heller zu zahlen.
Vogt. Das sind izt alte Kalender, da- für uns Niemand nur Dank dir Gott sagt.
Vögtin. Es ist wohl so: -- Denk auch, wie mirs der Kriecher hat machen können; von dem Augenblik an, da dir dein Unglük begegnet, ist er immer vor unserm Haus vorbey- gestrichen, u. hat, wo er Jemand unter einer Thür oder unter einem Fenster sah, gespöttelt u. geträzelt, und vor mir selber auf offner Straß beym Brunden die Zungen heraus gestrekt, und überlaut vor allen Leuten gesagt, wenn wir ob nichts verdient hätten, was uns be- gegnet, so wärs ob ihm, daß wir ihn beym Pfarrer so durchgezogen; aber wir können izt die Wochenbrödli, die wir ihm abstählen wollen, selber brauchen.
Vogt. So -- doch seit dem Mitwochen hat er das gewiß nicht mehr gethan? --
Vög-
H
mit euch hat, der kommt ins Ungluͤk.“ — Die Stubenthuͤr ſchlug ſie zu, daß ſie aus dem Angel fuhr. —
Vogt. Es nihmt mich nicht Wunder, ich kannte ſie meiner Lebtag fuͤr das. —
Voͤgtin. Es iſt wahr; aber du weiſſeſt doch auch, wie viel Guts ſie bey uns genoſ- ſen, und daß ſie allemal, wenn etwas mehr als all Tag in die Kuche kam, zugeſchlichen, und den Ranzen gefuͤllt, ohne mir einen Heller zu zahlen.
Vogt. Das ſind izt alte Kalender, da- fuͤr uns Niemand nur Dank dir Gott ſagt.
Voͤgtin. Es iſt wohl ſo: — Denk auch, wie mirs der Kriecher hat machen koͤnnen; von dem Augenblik an, da dir dein Ungluͤk begegnet, iſt er im̃er vor unſerm Haus vorbey- geſtrichen, u. hat, wo er Jemand unter einer Thuͤr oder unter einem Fenſter ſah, geſpoͤttelt u. getraͤzelt, und vor mir ſelber auf offner Straß beym Bruñen die Zungen heraus geſtrekt, und uͤberlaut vor allen Leuten geſagt, wenn wir ob nichts verdient haͤtten, was uns be- gegnet, ſo waͤrs ob ihm, daß wir ihn beym Pfarrer ſo durchgezogen; aber wir koͤnnen izt die Wochenbroͤdli, die wir ihm abſtaͤhlen wollen, ſelber brauchen.
Vogt. So — doch ſeit dem Mitwochen hat er das gewiß nicht mehr gethan? —
Voͤg-
H
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0131"n="113"/>
mit euch hat, der kommt ins Ungluͤk.“—<lb/>
Die Stubenthuͤr ſchlug ſie zu, daß ſie aus<lb/>
dem Angel fuhr. —</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Es nihmt mich nicht Wunder,<lb/>
ich kannte ſie meiner Lebtag fuͤr das. —</p><lb/><p><hirendition="#fr">Voͤgtin.</hi> Es iſt wahr; aber du weiſſeſt<lb/>
doch auch, wie viel Guts ſie bey uns genoſ-<lb/>ſen, und daß ſie allemal, wenn etwas mehr<lb/>
als all Tag in die Kuche kam, zugeſchlichen,<lb/>
und den Ranzen gefuͤllt, ohne mir einen<lb/>
Heller zu zahlen.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Das ſind izt alte Kalender, da-<lb/>
fuͤr uns Niemand nur Dank dir Gott ſagt.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Voͤgtin.</hi> Es iſt wohl ſo: — Denk auch,<lb/>
wie mirs der Kriecher hat machen koͤnnen;<lb/>
von dem Augenblik an, da dir dein Ungluͤk<lb/>
begegnet, iſt er im̃er vor unſerm Haus vorbey-<lb/>
geſtrichen, u. hat, wo er Jemand unter einer<lb/>
Thuͤr oder unter einem Fenſter ſah, geſpoͤttelt u.<lb/>
getraͤzelt, und vor mir ſelber auf offner Straß<lb/>
beym Bruñen die Zungen heraus geſtrekt,<lb/>
und uͤberlaut vor allen Leuten geſagt, wenn<lb/>
wir ob nichts verdient haͤtten, was uns be-<lb/>
gegnet, ſo waͤrs ob ihm, daß wir ihn beym<lb/>
Pfarrer ſo durchgezogen; aber wir koͤnnen<lb/>
izt die Wochenbroͤdli, die wir ihm abſtaͤhlen<lb/>
wollen, ſelber brauchen.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> So — doch ſeit dem Mitwochen<lb/>
hat er das gewiß nicht mehr gethan? —</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">H</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Voͤg-</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[113/0131]
mit euch hat, der kommt ins Ungluͤk.“ —
Die Stubenthuͤr ſchlug ſie zu, daß ſie aus
dem Angel fuhr. —
Vogt. Es nihmt mich nicht Wunder,
ich kannte ſie meiner Lebtag fuͤr das. —
Voͤgtin. Es iſt wahr; aber du weiſſeſt
doch auch, wie viel Guts ſie bey uns genoſ-
ſen, und daß ſie allemal, wenn etwas mehr
als all Tag in die Kuche kam, zugeſchlichen,
und den Ranzen gefuͤllt, ohne mir einen
Heller zu zahlen.
Vogt. Das ſind izt alte Kalender, da-
fuͤr uns Niemand nur Dank dir Gott ſagt.
Voͤgtin. Es iſt wohl ſo: — Denk auch,
wie mirs der Kriecher hat machen koͤnnen;
von dem Augenblik an, da dir dein Ungluͤk
begegnet, iſt er im̃er vor unſerm Haus vorbey-
geſtrichen, u. hat, wo er Jemand unter einer
Thuͤr oder unter einem Fenſter ſah, geſpoͤttelt u.
getraͤzelt, und vor mir ſelber auf offner Straß
beym Bruñen die Zungen heraus geſtrekt,
und uͤberlaut vor allen Leuten geſagt, wenn
wir ob nichts verdient haͤtten, was uns be-
gegnet, ſo waͤrs ob ihm, daß wir ihn beym
Pfarrer ſo durchgezogen; aber wir koͤnnen
izt die Wochenbroͤdli, die wir ihm abſtaͤhlen
wollen, ſelber brauchen.
Vogt. So — doch ſeit dem Mitwochen
hat er das gewiß nicht mehr gethan? —
Voͤg-
H
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/131>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.