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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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§. 26.
Leid und Freud in einer Stund.

Das waren Gertruds und Arners Wege
-- Der Weg ihres Pfarrers war
nicht weniger edel und schön. Er arbeitete
izt immer an der Wiederherstellung des ar-
men zerrütteten Vogts. Dieser war, seit-
dem ihm die Härte seiner Mitvorgesezten
durch die Kalberleder[-]Histori zu Ohren ge-
kommen, niedergeschlagener als vorher.

Der Pfarrer tröstete ihn zwar oft; aber
es war izt tief in seine Seele hinein gegraben,
kein Mensch habe mehr Mitleiden mit ihm,
und er verdiene nicht, daß ein Mensch mehr
Mitleiden mit ihm habe; er saß sinther viel
mit Thränen in den Augen in des Pfarrers
Stube, und wollte oft nur nicht mehr von
dem Wein trinken, den ihm der Pfarrer dar-
stellte.

So saß er besonders den lezten Donstag
neben dem Pfarrer, und dieser war betrübt
und nachdenkend, wie er ihn doch zufrieden
stellen, und wieder beruhigen könnte: Aber
er wußte eben nicht viel was machens. Da
kam eben der Hübel-Rudi, dem Pfarrer zu
sagen, er könne es nicht länger anstehen las-
sen, mit dem Vogt zu reden, und ihm zu

sa-
§. 26.
Leid und Freud in einer Stund.

Das waren Gertruds und Arners Wege
— Der Weg ihres Pfarrers war
nicht weniger edel und ſchoͤn. Er arbeitete
izt immer an der Wiederherſtellung des ar-
men zerruͤtteten Vogts. Dieſer war, ſeit-
dem ihm die Haͤrte ſeiner Mitvorgeſezten
durch die Kalberleder[-]Hiſtori zu Ohren ge-
kommen, niedergeſchlagener als vorher.

Der Pfarrer troͤſtete ihn zwar oft; aber
es war izt tief in ſeine Seele hinein gegraben,
kein Menſch habe mehr Mitleiden mit ihm,
und er verdiene nicht, daß ein Menſch mehr
Mitleiden mit ihm habe; er ſaß ſinther viel
mit Thraͤnen in den Augen in des Pfarrers
Stube, und wollte oft nur nicht mehr von
dem Wein trinken, den ihm der Pfarrer dar-
ſtellte.

So ſaß er beſonders den lezten Donſtag
neben dem Pfarrer, und dieſer war betruͤbt
und nachdenkend, wie er ihn doch zufrieden
ſtellen, und wieder beruhigen koͤnnte: Aber
er wußte eben nicht viel was machens. Da
kam eben der Huͤbel-Rudi, dem Pfarrer zu
ſagen, er koͤnne es nicht laͤnger anſtehen laſ-
ſen, mit dem Vogt zu reden, und ihm zu

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[92/0110] §. 26. Leid und Freud in einer Stund. Das waren Gertruds und Arners Wege — Der Weg ihres Pfarrers war nicht weniger edel und ſchoͤn. Er arbeitete izt immer an der Wiederherſtellung des ar- men zerruͤtteten Vogts. Dieſer war, ſeit- dem ihm die Haͤrte ſeiner Mitvorgeſezten durch die Kalberleder-Hiſtori zu Ohren ge- kommen, niedergeſchlagener als vorher. Der Pfarrer troͤſtete ihn zwar oft; aber es war izt tief in ſeine Seele hinein gegraben, kein Menſch habe mehr Mitleiden mit ihm, und er verdiene nicht, daß ein Menſch mehr Mitleiden mit ihm habe; er ſaß ſinther viel mit Thraͤnen in den Augen in des Pfarrers Stube, und wollte oft nur nicht mehr von dem Wein trinken, den ihm der Pfarrer dar- ſtellte. So ſaß er beſonders den lezten Donſtag neben dem Pfarrer, und dieſer war betruͤbt und nachdenkend, wie er ihn doch zufrieden ſtellen, und wieder beruhigen koͤnnte: Aber er wußte eben nicht viel was machens. Da kam eben der Huͤbel-Rudi, dem Pfarrer zu ſagen, er koͤnne es nicht laͤnger anſtehen laſ- ſen, mit dem Vogt zu reden, und ihm zu ſa-

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/110>, abgerufen am 25.11.2024.