§. 8. Wenn man die Räder schmiert, so geht der Wagen.
Indessen kömmt der geschwefelte Wein. Gläser, Gläser her, Meister Scheerer; ruft der Vogt. Und Frau und Junge bringen bald Gläser's genug.
Die Nachbaren nähern sich sämtlich den Wein- krügen, und der Vogt schenkt ihnen ein.
Jezt sind der alte Ulj und alle Nachbaren wie- der zufrieden.
Und des jungen Gallis Wunde ist ja nicht der Rede werth. Wäre der Narr nur still gesessen, so würde ihn der Scheerer nicht geschnitten haben.
Nach und nach geht jezt einem jeden das Maul auf, und lautes Saufgewühl erhebt sich.
Alles lobt wieder den Vogt, und der Mäurer Lienhard ist jezt am vordern Tisch ein Schlingel, und am hindern ein Bettler.
Da erzählt der eine, wie er sich alle Tage voll foff, und jezt den Heiligen mache, und der an- dere, wie er wohl merke, warum die schöne Ger- trud, und nicht der Mäurer, zum jungen Herrn ins Schloß gegangen sey; und wieder ein anderer, wie ihm diese Nacht von der Nase geträumt habe,
die
§. 8. Wenn man die Raͤder ſchmiert, ſo geht der Wagen.
Indeſſen koͤmmt der geſchwefelte Wein. Glaͤſer, Glaͤſer her, Meiſter Scheerer; ruft der Vogt. Und Frau und Junge bringen bald Glaͤſer’s genug.
Die Nachbaren naͤhern ſich ſaͤmtlich den Wein- kruͤgen, und der Vogt ſchenkt ihnen ein.
Jezt ſind der alte Ulj und alle Nachbaren wie- der zufrieden.
Und des jungen Gallis Wunde iſt ja nicht der Rede werth. Waͤre der Narr nur ſtill geſeſſen, ſo wuͤrde ihn der Scheerer nicht geſchnitten haben.
Nach und nach geht jezt einem jeden das Maul auf, und lautes Saufgewuͤhl erhebt ſich.
Alles lobt wieder den Vogt, und der Maͤurer Lienhard iſt jezt am vordern Tiſch ein Schlingel, und am hindern ein Bettler.
Da erzaͤhlt der eine, wie er ſich alle Tage voll foff, und jezt den Heiligen mache, und der an- dere, wie er wohl merke, warum die ſchoͤne Ger- trud, und nicht der Maͤurer, zum jungen Herrn ins Schloß gegangen ſey; und wieder ein anderer, wie ihm dieſe Nacht von der Naſe getraͤumt habe,
die
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§. 8.
Wenn man die Raͤder ſchmiert, ſo geht
der Wagen.
Indeſſen koͤmmt der geſchwefelte Wein. Glaͤſer,
Glaͤſer her, Meiſter Scheerer; ruft der Vogt.
Und Frau und Junge bringen bald Glaͤſer’s genug.
Die Nachbaren naͤhern ſich ſaͤmtlich den Wein-
kruͤgen, und der Vogt ſchenkt ihnen ein.
Jezt ſind der alte Ulj und alle Nachbaren wie-
der zufrieden.
Und des jungen Gallis Wunde iſt ja nicht der
Rede werth. Waͤre der Narr nur ſtill geſeſſen,
ſo wuͤrde ihn der Scheerer nicht geſchnitten haben.
Nach und nach geht jezt einem jeden das Maul
auf, und lautes Saufgewuͤhl erhebt ſich.
Alles lobt wieder den Vogt, und der Maͤurer
Lienhard iſt jezt am vordern Tiſch ein Schlingel,
und am hindern ein Bettler.
Da erzaͤhlt der eine, wie er ſich alle Tage voll
foff, und jezt den Heiligen mache, und der an-
dere, wie er wohl merke, warum die ſchoͤne Ger-
trud, und nicht der Maͤurer, zum jungen Herrn
ins Schloß gegangen ſey; und wieder ein anderer,
wie ihm dieſe Nacht von der Naſe getraͤumt habe,
die
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/73>, abgerufen am 23.02.2025.
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