Als dieser jezt seinem Hause nahe war, und nur kein Licht in seiner Stube sah, auch keine Men- schenstimme darinn hörte, ahndete ihm Böses; denn sonst war alle Abende das Haus voll -- und alle Fenster von den Lichtern, die auf allen Tischen standen, erheitert, und das Gelerm der Saufenden tönte in der Stille der Nacht immer, daß man's zu unterst an der Gasse noch hörte, obgleich die Gasse lang ist, und des Vogts Haus zu oberst da- ran steht.
Ueber dieser ungewöhnlichen Stille war der Vogt sehr erschrocken. Er öffnete mit wilder Un- gestümheit die Thüre, und sagte: Was ist das? was ist das? daß kein Mensch hier ist.
Sein Weib heulete in einem Winkel. O Mann! bist du wieder da. Mein Gott! was ist vor ein Unglück begegnet! Es ist ein Jubilieren im Dorf von deinen Feinden, und kein Mensch wagt mehr auch nur ein Glas Wein bey uns zu trinken. Alles sagt, du seyst aus dem Wald nach Arnburg geführt worden.
Wie ein gefangenes wildes Schwein in seinen Stricken schnaubet, seinen Rachen öffnet, seine Augen rollt, und Wuth grunzet; so wüthete jezt Hummel, stampfte und tobte, sann auf Rache gegen Arner, und rasete, über den Edeln. Denn redte er mit sich selbst: So kömmt das Land um seine Rechte. Er will mir das
Wirths-
C
Als dieſer jezt ſeinem Hauſe nahe war, und nur kein Licht in ſeiner Stube ſah, auch keine Men- ſchenſtimme darinn hoͤrte, ahndete ihm Boͤſes; denn ſonſt war alle Abende das Haus voll — und alle Fenſter von den Lichtern, die auf allen Tiſchen ſtanden, erheitert, und das Gelerm der Saufenden toͤnte in der Stille der Nacht immer, daß man’s zu unterſt an der Gaſſe noch hoͤrte, obgleich die Gaſſe lang iſt, und des Vogts Haus zu oberſt da- ran ſteht.
Ueber dieſer ungewoͤhnlichen Stille war der Vogt ſehr erſchrocken. Er oͤffnete mit wilder Un- geſtuͤmheit die Thuͤre, und ſagte: Was iſt das? was iſt das? daß kein Menſch hier iſt.
Sein Weib heulete in einem Winkel. O Mann! biſt du wieder da. Mein Gott! was iſt vor ein Ungluͤck begegnet! Es iſt ein Jubilieren im Dorf von deinen Feinden, und kein Menſch wagt mehr auch nur ein Glas Wein bey uns zu trinken. Alles ſagt, du ſeyſt aus dem Wald nach Arnburg gefuͤhrt worden.
Wie ein gefangenes wildes Schwein in ſeinen Stricken ſchnaubet, ſeinen Rachen oͤffnet, ſeine Augen rollt, und Wuth grunzet; ſo wuͤthete jezt Hummel, ſtampfte und tobte, ſann auf Rache gegen Arner, und raſete, uͤber den Edeln. Denn redte er mit ſich ſelbſt: So koͤmmt das Land um ſeine Rechte. Er will mir das
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Als dieſer jezt ſeinem Hauſe nahe war, und nur
kein Licht in ſeiner Stube ſah, auch keine Men-
ſchenſtimme darinn hoͤrte, ahndete ihm Boͤſes;
denn ſonſt war alle Abende das Haus voll — und
alle Fenſter von den Lichtern, die auf allen Tiſchen
ſtanden, erheitert, und das Gelerm der Saufenden
toͤnte in der Stille der Nacht immer, daß man’s
zu unterſt an der Gaſſe noch hoͤrte, obgleich die
Gaſſe lang iſt, und des Vogts Haus zu oberſt da-
ran ſteht.
Ueber dieſer ungewoͤhnlichen Stille war der
Vogt ſehr erſchrocken. Er oͤffnete mit wilder Un-
geſtuͤmheit die Thuͤre, und ſagte: Was iſt das?
was iſt das? daß kein Menſch hier iſt.
Sein Weib heulete in einem Winkel. O
Mann! biſt du wieder da. Mein Gott! was iſt
vor ein Ungluͤck begegnet! Es iſt ein Jubilieren
im Dorf von deinen Feinden, und kein Menſch
wagt mehr auch nur ein Glas Wein bey uns zu
trinken. Alles ſagt, du ſeyſt aus dem Wald nach
Arnburg gefuͤhrt worden.
Wie ein gefangenes wildes Schwein in ſeinen
Stricken ſchnaubet, ſeinen Rachen oͤffnet, ſeine
Augen rollt, und Wuth grunzet; ſo wuͤthete
jezt Hummel, ſtampfte und tobte, ſann auf
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das Land um ſeine Rechte. Er will mir das
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/56>, abgerufen am 25.11.2024.
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