Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Lienhard. Er soll ja den Bau dem Schloß-
mäurer verdungen haben, das hast du längst an
der Gemeind gesagt.

Hummel. Ich hab's geglaubt, aber es ist
nicht; der Schloßmäurer hat nur ein Kosten-
verzeichniß gemacht, und du kannst leicht denken,
er habe sich selber nicht vergessen. Wenn du ihn
nach diesem Ueberschlag erhaltest, so verdienest du
Geld wie Laub. -- Lienert -- da siehst du jezt, ob
ich's gut mit dir meyne --

Der Mäurer war von der Hoffnung des Baus
übernommen und dankte ihm herzlich.

Aber Gertrud sah, wie der Vogt vom erstick-
ten Zorn blaß war -- und wie hinder seinem Lächeln
verbissener Grimm verborgen lag; und sie freuete
sich gar nicht. Indessen gieng der Vogt weg, und
im Gehen sagte er noch: Innert einer Stunde
wird Arner kommen, und Lienhards Lise, die an der
Seite ihres Vaters stand, sagte zum Vogt: wir
wissens schon seit gestern.

Hummel erschrack zwar ob diesem Wort,
aber er that doch nicht als ob er's hörte --

Und Gertrud, die wohl sah, daß der Vogt dem
Geld, so beym Kirchbau zu verdienen wäre, auf-
lauerte, war hierüber sehr unruhig.



§. 5.

Lienhard. Er ſoll ja den Bau dem Schloß-
maͤurer verdungen haben, das haſt du laͤngſt an
der Gemeind geſagt.

Hummel. Ich hab’s geglaubt, aber es iſt
nicht; der Schloßmaͤurer hat nur ein Koſten-
verzeichniß gemacht, und du kannſt leicht denken,
er habe ſich ſelber nicht vergeſſen. Wenn du ihn
nach dieſem Ueberſchlag erhalteſt, ſo verdieneſt du
Geld wie Laub. — Lienert — da ſiehſt du jezt, ob
ich’s gut mit dir meyne —

Der Maͤurer war von der Hoffnung des Baus
uͤbernommen und dankte ihm herzlich.

Aber Gertrud ſah, wie der Vogt vom erſtick-
ten Zorn blaß war — und wie hinder ſeinem Laͤcheln
verbiſſener Grimm verborgen lag; und ſie freuete
ſich gar nicht. Indeſſen gieng der Vogt weg, und
im Gehen ſagte er noch: Innert einer Stunde
wird Arner kommen, und Lienhards Liſe, die an der
Seite ihres Vaters ſtand, ſagte zum Vogt: wir
wiſſens ſchon ſeit geſtern.

Hummel erſchrack zwar ob dieſem Wort,
aber er that doch nicht als ob er’s hoͤrte —

Und Gertrud, die wohl ſah, daß der Vogt dem
Geld, ſo beym Kirchbau zu verdienen waͤre, auf-
lauerte, war hieruͤber ſehr unruhig.



§. 5.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0049" n="26"/>
          <p><hi rendition="#fr">Lienhard.</hi> Er &#x017F;oll ja den Bau dem Schloß-<lb/>
ma&#x0364;urer verdungen haben, das ha&#x017F;t du la&#x0364;ng&#x017F;t an<lb/>
der Gemeind ge&#x017F;agt.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Hummel.</hi> Ich hab&#x2019;s geglaubt, aber es i&#x017F;t<lb/>
nicht; der Schloßma&#x0364;urer hat nur ein Ko&#x017F;ten-<lb/>
verzeichniß gemacht, und du kann&#x017F;t leicht denken,<lb/>
er habe &#x017F;ich &#x017F;elber nicht verge&#x017F;&#x017F;en. Wenn du ihn<lb/>
nach die&#x017F;em Ueber&#x017F;chlag erhalte&#x017F;t, &#x017F;o verdiene&#x017F;t du<lb/>
Geld wie Laub. &#x2014; Lienert &#x2014; da &#x017F;ieh&#x017F;t du jezt, ob<lb/>
ich&#x2019;s gut mit dir meyne &#x2014;</p><lb/>
          <p>Der Ma&#x0364;urer war von der Hoffnung des Baus<lb/>
u&#x0364;bernommen und dankte ihm herzlich.</p><lb/>
          <p>Aber Gertrud &#x017F;ah, wie der Vogt vom er&#x017F;tick-<lb/>
ten Zorn blaß war &#x2014; und wie hinder &#x017F;einem La&#x0364;cheln<lb/>
verbi&#x017F;&#x017F;ener Grimm verborgen lag; und &#x017F;ie freuete<lb/>
&#x017F;ich gar nicht. Inde&#x017F;&#x017F;en gieng der Vogt weg, und<lb/>
im Gehen &#x017F;agte er noch: Innert einer Stunde<lb/>
wird Arner kommen, und Lienhards Li&#x017F;e, die an der<lb/>
Seite ihres Vaters &#x017F;tand, &#x017F;agte zum Vogt: wir<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;ens &#x017F;chon &#x017F;eit ge&#x017F;tern.</p><lb/>
          <p>Hummel er&#x017F;chrack zwar ob die&#x017F;em Wort,<lb/>
aber er that doch nicht als ob er&#x2019;s ho&#x0364;rte &#x2014;</p><lb/>
          <p>Und Gertrud, die wohl &#x017F;ah, daß der Vogt dem<lb/>
Geld, &#x017F;o beym Kirchbau zu verdienen wa&#x0364;re, auf-<lb/>
lauerte, war hieru&#x0364;ber &#x017F;ehr unruhig.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 5.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0049] Lienhard. Er ſoll ja den Bau dem Schloß- maͤurer verdungen haben, das haſt du laͤngſt an der Gemeind geſagt. Hummel. Ich hab’s geglaubt, aber es iſt nicht; der Schloßmaͤurer hat nur ein Koſten- verzeichniß gemacht, und du kannſt leicht denken, er habe ſich ſelber nicht vergeſſen. Wenn du ihn nach dieſem Ueberſchlag erhalteſt, ſo verdieneſt du Geld wie Laub. — Lienert — da ſiehſt du jezt, ob ich’s gut mit dir meyne — Der Maͤurer war von der Hoffnung des Baus uͤbernommen und dankte ihm herzlich. Aber Gertrud ſah, wie der Vogt vom erſtick- ten Zorn blaß war — und wie hinder ſeinem Laͤcheln verbiſſener Grimm verborgen lag; und ſie freuete ſich gar nicht. Indeſſen gieng der Vogt weg, und im Gehen ſagte er noch: Innert einer Stunde wird Arner kommen, und Lienhards Liſe, die an der Seite ihres Vaters ſtand, ſagte zum Vogt: wir wiſſens ſchon ſeit geſtern. Hummel erſchrack zwar ob dieſem Wort, aber er that doch nicht als ob er’s hoͤrte — Und Gertrud, die wohl ſah, daß der Vogt dem Geld, ſo beym Kirchbau zu verdienen waͤre, auf- lauerte, war hieruͤber ſehr unruhig. §. 5.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/49
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/49>, abgerufen am 24.11.2024.