ich, wie der Vogt keinen halben Steinwurf weit von der Landstrasse fluchte und arbeitete, und da ich ihn an seiner Stimme und an seinem Husten rich- tig erkannte, wunderte es mich, was er da schaffe in der Mitternachtsstunde. Ich dachte fast, er grabe Schätzen nach, und wenn ich eben recht komme, so werde er mit mir theilen -- Ich gieng also dem Geräusch nach -- Aber es scheint, der Herr Un- tervogt habe gestern gegen seine Gewohnheit etwas mehr, als nöthig ist, getrunken gehabt; denn er hielt mich armen sündigen Menschen, so bald er mich sah, für den leibhaftigen Teufel. Und da ich sah, daß er einen Markstein in unsers Herrn Wald versetzen woll- te, dachte ich, nun er fürchtet doch, was er verdient, ich will ihm jezt die Hölle warm machen. Ich band schnell Karst, Pickel und Schaufel und meinen Bo- tenstock zusammen, schleppte das alles hinter mir her den Felsweg hinunter, und rief dann, was ich aus dem Hals vermochte: Oh -- Ah -- Uh -- Vo -- ogt -- Du bist mein, Hu -- ummel -- -- und ich war nicht mehr einen Steinwurf weit von euch weg, als ihr mit euerm Windlicht langsam und still dem Herrn Untervogt zu helfen daher schlichet. Aber ich wollte die unschuldigen Männer nicht so, wie den Vogt, mit meinem Ge- brüll gar in der Nähe erschrecken, hörte damit auf, und stieg wieder mit meiner Beute Berg an zu meinem Korb, und gieng den geraden Weg heim.
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ich, wie der Vogt keinen halben Steinwurf weit von der Landſtraſſe fluchte und arbeitete, und da ich ihn an ſeiner Stimme und an ſeinem Huſten rich- tig erkannte, wunderte es mich, was er da ſchaffe in der Mitternachtsſtunde. Ich dachte faſt, er grabe Schaͤtzen nach, und wenn ich eben recht komme, ſo werde er mit mir theilen — Ich gieng alſo dem Geraͤuſch nach — Aber es ſcheint, der Herr Un- tervogt habe geſtern gegen ſeine Gewohnheit etwas mehr, als noͤthig iſt, getrunken gehabt; denn er hielt mich armen ſuͤndigen Menſchen, ſo bald er mich ſah, fuͤr den leibhaftigen Teufel. Und da ich ſah, daß er einen Markſtein in unſers Herrn Wald verſetzen woll- te, dachte ich, nun er fuͤrchtet doch, was er verdient, ich will ihm jezt die Hoͤlle warm machen. Ich band ſchnell Karſt, Pickel und Schaufel und meinen Bo- tenſtock zuſammen, ſchleppte das alles hinter mir her den Felsweg hinunter, und rief dann, was ich aus dem Hals vermochte: Oh — Ah — Uh — Vo — ogt — Du biſt mein, Hu — ummel — — und ich war nicht mehr einen Steinwurf weit von euch weg, als ihr mit euerm Windlicht langſam und ſtill dem Herrn Untervogt zu helfen daher ſchlichet. Aber ich wollte die unſchuldigen Maͤnner nicht ſo, wie den Vogt, mit meinem Ge- bruͤll gar in der Naͤhe erſchrecken, hoͤrte damit auf, und ſtieg wieder mit meiner Beute Berg an zu meinem Korb, und gieng den geraden Weg heim.
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ich, wie der Vogt keinen halben Steinwurf weit
von der Landſtraſſe fluchte und arbeitete, und da ich
ihn an ſeiner Stimme und an ſeinem Huſten rich-
tig erkannte, wunderte es mich, was er da ſchaffe
in der Mitternachtsſtunde. Ich dachte faſt, er grabe
Schaͤtzen nach, und wenn ich eben recht komme, ſo
werde er mit mir theilen — Ich gieng alſo dem
Geraͤuſch nach — Aber es ſcheint, der Herr Un-
tervogt habe geſtern gegen ſeine Gewohnheit etwas
mehr, als noͤthig iſt, getrunken gehabt; denn er hielt
mich armen ſuͤndigen Menſchen, ſo bald er mich ſah,
fuͤr den leibhaftigen Teufel. Und da ich ſah, daß er
einen Markſtein in unſers Herrn Wald verſetzen woll-
te, dachte ich, nun er fuͤrchtet doch, was er verdient,
ich will ihm jezt die Hoͤlle warm machen. Ich band
ſchnell Karſt, Pickel und Schaufel und meinen Bo-
tenſtock zuſammen, ſchleppte das alles hinter mir
her den Felsweg hinunter, und rief dann, was ich
aus dem Hals vermochte: Oh — Ah — Uh —
Vo — ogt — Du biſt mein, Hu — ummel — —
und ich war nicht mehr einen Steinwurf weit
von euch weg, als ihr mit euerm Windlicht
langſam und ſtill dem Herrn Untervogt zu helfen
daher ſchlichet. Aber ich wollte die unſchuldigen
Maͤnner nicht ſo, wie den Vogt, mit meinem Ge-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/384>, abgerufen am 22.11.2024.
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