"genstände zu lenken, die sie in ihren persönlichen "Lagen intereßiren."
Junker. Ich begreife Sie, Herr Pfarrer! und ich finde, wie Sie, daß dadurch Aberglauben und Vorurtheil ihren Stachel, ihre innere Schädlich- keit, ihre Uebereinstimmung mit den Leidenschaften und Begierden eines bösen Herzens, und mit den grundlosen Grillen der armseligen Einbildung eines müßigen spintisirenden Wissens verlieren würden.
Und so wäre der Rest der Vorurtheile und des Aberglaubens nur noch todtes Wort und Schatten der Sache ohne inneres Gift, und er wür- de dann von selbst fallen.
Pfarrer. So sehe ich es einmal an, Jun- ker! Ordnung, nahe Gegenstände, und die sanfte Entwicklung der Menschlichkeitstriebe müssen die Grundlagen des Volksunterrichts seyn, weil sie un- zweifelbar die Grundlagen der wahren menschli- chen Weisheit sind.
Starke Aufmerksamkeit auf Meynungen, und auf entfe[rn]te Gegenstände und schwache auf Pflicht und auf That, und auf nahe Verhältnisse, ist Unord- nung im Wesen des menschlichen Geistes.
Sie pflanzet Unwissenheit in unsern wichtigsten Angelegenheiten, und dumme Vorliebe für Wis- sen und Kenntniß, die uns nicht angehn.
Und Rohheit und Härte des Herzens sind die na- türlichen Folgen alles Stolzes und aller Präsumptio-
nen;
„genſtaͤnde zu lenken, die ſie in ihren perſoͤnlichen „Lagen intereßiren.„
Junker. Ich begreife Sie, Herr Pfarrer! und ich finde, wie Sie, daß dadurch Aberglauben und Vorurtheil ihren Stachel, ihre innere Schaͤdlich- keit, ihre Uebereinſtimmung mit den Leidenſchaften und Begierden eines boͤſen Herzens, und mit den grundloſen Grillen der armſeligen Einbildung eines muͤßigen ſpintiſirenden Wiſſens verlieren wuͤrden.
Und ſo waͤre der Reſt der Vorurtheile und des Aberglaubens nur noch todtes Wort und Schatten der Sache ohne inneres Gift, und er wuͤr- de dann von ſelbſt fallen.
Pfarrer. So ſehe ich es einmal an, Jun- ker! Ordnung, nahe Gegenſtaͤnde, und die ſanfte Entwicklung der Menſchlichkeitstriebe muͤſſen die Grundlagen des Volksunterrichts ſeyn, weil ſie un- zweifelbar die Grundlagen der wahren menſchli- chen Weisheit ſind.
Starke Aufmerkſamkeit auf Meynungen, und auf entfe[rn]te Gegenſtaͤnde und ſchwache auf Pflicht und auf That, und auf nahe Verhaͤltniſſe, iſt Unord- nung im Weſen des menſchlichen Geiſtes.
Sie pflanzet Unwiſſenheit in unſern wichtigſten Angelegenheiten, und dumme Vorliebe fuͤr Wiſ- ſen und Kenntniß, die uns nicht angehn.
Und Rohheit und Haͤrte des Herzens ſind die na- tuͤrlichen Folgen alles Stolzes und aller Praͤſumptio-
nen;
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„genſtaͤnde zu lenken, die ſie in ihren perſoͤnlichen
„Lagen intereßiren.„
Junker. Ich begreife Sie, Herr Pfarrer!
und ich finde, wie Sie, daß dadurch Aberglauben und
Vorurtheil ihren Stachel, ihre innere Schaͤdlich-
keit, ihre Uebereinſtimmung mit den Leidenſchaften
und Begierden eines boͤſen Herzens, und mit den
grundloſen Grillen der armſeligen Einbildung eines
muͤßigen ſpintiſirenden Wiſſens verlieren wuͤrden.
Und ſo waͤre der Reſt der Vorurtheile und
des Aberglaubens nur noch todtes Wort und
Schatten der Sache ohne inneres Gift, und er wuͤr-
de dann von ſelbſt fallen.
Pfarrer. So ſehe ich es einmal an, Jun-
ker! Ordnung, nahe Gegenſtaͤnde, und die ſanfte
Entwicklung der Menſchlichkeitstriebe muͤſſen die
Grundlagen des Volksunterrichts ſeyn, weil ſie un-
zweifelbar die Grundlagen der wahren menſchli-
chen Weisheit ſind.
Starke Aufmerkſamkeit auf Meynungen, und
auf entfernte Gegenſtaͤnde und ſchwache auf Pflicht
und auf That, und auf nahe Verhaͤltniſſe, iſt Unord-
nung im Weſen des menſchlichen Geiſtes.
Sie pflanzet Unwiſſenheit in unſern wichtigſten
Angelegenheiten, und dumme Vorliebe fuͤr Wiſ-
ſen und Kenntniß, die uns nicht angehn.
Und Rohheit und Haͤrte des Herzens ſind die na-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/365>, abgerufen am 25.11.2024.
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