Meynung, und wandeln sanft und still und voll Liebe einher -- Der Aberglaube aber setzt seine Meynung gegen seine Sinnen und gegen aller Men- schen Sinnen. Er findet nur Ruhe im Triumph sei- nes Eigendünkels, und er stürmt damit unsanft und wild und hart durch sein ganzes Leben.
Den Menschen in seiner reinen Einfalt leiten sein unverdorbenes He[r]z, auf das er sich immer ge- trost verlassen kann, und seine Sinnen, die er mit Ruhe braucht. Den Abergläubigen aber leitet seine Meynung, welcher er sein Herz, seine Sinnen, und oft Gott, Vaterland, seinen Rächsten und sich selbst aufopfert.
Junker. Das zeigt die Geschichte auf allen Blättern; und auch ein kleines Maaß von Erfah- rung und von Weltkenntniß überzeugt einen jeden, daß Hartherzigkeit und Aberglaube immer gepaart gehn, und daß sie nichts als schädliche und bittere Folgen mit sich führen.
Pfarrer. Aus diesem wesentlichen Unterschied der Einfalt des guten unentwickelten Menschen, und der Dummheit des Aberglaubens, erhellet, Junker ! daß das beste Mittel gegen dem Aber- glauben zu würken, dieser ist:
"Den Wahrheitsunterricht in der Auferzie- "hung des Volks auf das reine Gefühl der sanf- "ten und guten Unschuld und Liebe zu bauen, und "die Kraft ihrer Aufmerksamkeit auf nahe Ge-
"gen-
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Meynung, und wandeln ſanft und ſtill und voll Liebe einher — Der Aberglaube aber ſetzt ſeine Meynung gegen ſeine Sinnen und gegen aller Men- ſchen Sinnen. Er findet nur Ruhe im Triumph ſei- nes Eigenduͤnkels, und er ſtuͤrmt damit unſanft und wild und hart durch ſein ganzes Leben.
Den Menſchen in ſeiner reinen Einfalt leiten ſein unverdorbenes He[r]z, auf das er ſich immer ge- troſt verlaſſen kann, und ſeine Sinnen, die er mit Ruhe braucht. Den Aberglaͤubigen aber leitet ſeine Meynung, welcher er ſein Herz, ſeine Sinnen, und oft Gott, Vaterland, ſeinen Raͤchſten und ſich ſelbſt aufopfert.
Junker. Das zeigt die Geſchichte auf allen Blaͤttern; und auch ein kleines Maaß von Erfah- rung und von Weltkenntniß uͤberzeugt einen jeden, daß Hartherzigkeit und Aberglaube immer gepaart gehn, und daß ſie nichts als ſchaͤdliche und bittere Folgen mit ſich fuͤhren.
Pfarrer. Aus dieſem weſentlichen Unterſchied der Einfalt des guten unentwickelten Menſchen, und der Dummheit des Aberglaubens, erhellet, Junker ! daß das beſte Mittel gegen dem Aber- glauben zu wuͤrken, dieſer iſt:
“Den Wahrheitsunterricht in der Auferzie- „hung des Volks auf das reine Gefuͤhl der ſanf- „ten und guten Unſchuld und Liebe zu bauen, und „die Kraft ihrer Aufmerkſamkeit auf nahe Ge-
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Meynung, und wandeln ſanft und ſtill und
voll Liebe einher — Der Aberglaube aber ſetzt ſeine
Meynung gegen ſeine Sinnen und gegen aller Men-
ſchen Sinnen. Er findet nur Ruhe im Triumph ſei-
nes Eigenduͤnkels, und er ſtuͤrmt damit unſanft und
wild und hart durch ſein ganzes Leben.
Den Menſchen in ſeiner reinen Einfalt leiten
ſein unverdorbenes Herz, auf das er ſich immer ge-
troſt verlaſſen kann, und ſeine Sinnen, die er mit
Ruhe braucht. Den Aberglaͤubigen aber leitet ſeine
Meynung, welcher er ſein Herz, ſeine Sinnen, und
oft Gott, Vaterland, ſeinen Raͤchſten und ſich
ſelbſt aufopfert.
Junker. Das zeigt die Geſchichte auf allen
Blaͤttern; und auch ein kleines Maaß von Erfah-
rung und von Weltkenntniß uͤberzeugt einen jeden,
daß Hartherzigkeit und Aberglaube immer gepaart
gehn, und daß ſie nichts als ſchaͤdliche und bittere
Folgen mit ſich fuͤhren.
Pfarrer. Aus dieſem weſentlichen Unterſchied
der Einfalt des guten unentwickelten Menſchen,
und der Dummheit des Aberglaubens, erhellet,
Junker ! daß das beſte Mittel gegen dem Aber-
glauben zu wuͤrken, dieſer iſt:
“Den Wahrheitsunterricht in der Auferzie-
„hung des Volks auf das reine Gefuͤhl der ſanf-
„ten und guten Unſchuld und Liebe zu bauen, und
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/364>, abgerufen am 22.11.2024.
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