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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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len; auch will ich trachten, diese Bestimmung mit
reinem Herzen zu erfüllen, und wie Sie, von al-
len Ceremonien und Gauckeleyen, die man mit den
Menschen spielt, nur das mitmachen, was ich muß.

Pfarrer. Sie beschämen mich, Gnädiger
Herr!

Junker. Ich fühle, was ich sage; aber es
wird bald läuten. Ich sehne mich recht auf die
Comödie an der Gemeind; dismal, glaube ich,
wolle ich ihnen etwas von ihrem Aberglauben aus-
treiben.

Pfarrer. Gott gebe! daß es Ihnen gelinge.
Dieser Aberglaube ist allem Guten, das man den
Leuten beybringen will, immer so viel und so stark
im Weg.

Junker. Ich fühle es auch an meinem Orte,
wie oft und viel er sie in ihren Angelegenheiten
dumm, furchtsam und verwirrt macht.

Pfarrer. Er giebt dem Kopf des Menschen
einen krummen Schnitt, der alles, was er thut,
redt und urtheilt, verrückt; und was noch wett
wichtiger ist, er verdirbt das Herz des Men-
schen, und flößt ihm eine stolze und rohe Härte ein.

Junker. Ja, Herr Pfarrer! man kann die
reine Einfalt der Natur und die blinde Dumm-
heit des Aberglaubens nie genug unterscheiden.

Pfarrer. Sie haben ganz Recht, Junker!
die unverdorbene Einfalt der Natur ist empfänglich

für
Y

len; auch will ich trachten, dieſe Beſtimmung mit
reinem Herzen zu erfuͤllen, und wie Sie, von al-
len Ceremonien und Gauckeleyen, die man mit den
Menſchen ſpielt, nur das mitmachen, was ich muß.

Pfarrer. Sie beſchaͤmen mich, Gnaͤdiger
Herr!

Junker. Ich fuͤhle, was ich ſage; aber es
wird bald laͤuten. Ich ſehne mich recht auf die
Comoͤdie an der Gemeind; dismal, glaube ich,
wolle ich ihnen etwas von ihrem Aberglauben aus-
treiben.

Pfarrer. Gott gebe! daß es Ihnen gelinge.
Dieſer Aberglaube iſt allem Guten, das man den
Leuten beybringen will, immer ſo viel und ſo ſtark
im Weg.

Junker. Ich fuͤhle es auch an meinem Orte,
wie oft und viel er ſie in ihren Angelegenheiten
dumm, furchtſam und verwirrt macht.

Pfarrer. Er giebt dem Kopf des Menſchen
einen krummen Schnitt, der alles, was er thut,
redt und urtheilt, verruͤckt; und was noch wett
wichtiger iſt, er verdirbt das Herz des Men-
ſchen, und floͤßt ihm eine ſtolze und rohe Haͤrte ein.

Junker. Ja, Herr Pfarrer! man kann die
reine Einfalt der Natur und die blinde Dumm-
heit des Aberglaubens nie genug unterſcheiden.

Pfarrer. Sie haben ganz Recht, Junker!
die unverdorbene Einfalt der Natur iſt empfaͤnglich

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[337/0362] len; auch will ich trachten, dieſe Beſtimmung mit reinem Herzen zu erfuͤllen, und wie Sie, von al- len Ceremonien und Gauckeleyen, die man mit den Menſchen ſpielt, nur das mitmachen, was ich muß. Pfarrer. Sie beſchaͤmen mich, Gnaͤdiger Herr! Junker. Ich fuͤhle, was ich ſage; aber es wird bald laͤuten. Ich ſehne mich recht auf die Comoͤdie an der Gemeind; dismal, glaube ich, wolle ich ihnen etwas von ihrem Aberglauben aus- treiben. Pfarrer. Gott gebe! daß es Ihnen gelinge. Dieſer Aberglaube iſt allem Guten, das man den Leuten beybringen will, immer ſo viel und ſo ſtark im Weg. Junker. Ich fuͤhle es auch an meinem Orte, wie oft und viel er ſie in ihren Angelegenheiten dumm, furchtſam und verwirrt macht. Pfarrer. Er giebt dem Kopf des Menſchen einen krummen Schnitt, der alles, was er thut, redt und urtheilt, verruͤckt; und was noch wett wichtiger iſt, er verdirbt das Herz des Men- ſchen, und floͤßt ihm eine ſtolze und rohe Haͤrte ein. Junker. Ja, Herr Pfarrer! man kann die reine Einfalt der Natur und die blinde Dumm- heit des Aberglaubens nie genug unterſcheiden. Pfarrer. Sie haben ganz Recht, Junker! die unverdorbene Einfalt der Natur iſt empfaͤnglich fuͤr Y

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/362>, abgerufen am 22.11.2024.