Vogt. Ich will ja thun, was ihr wollt, Herr Pfarrer!
Pfarrer. Willst du dem Rudi seine Matte wieder zurück geben?
Vogt. Um Gottes willen! ja, Herr Pfarrer!
Pfarrer. Erkennest du also, daß du sie mit Unrecht besitzest?
Vogt. In Gottes Namen! ja, Herr Pfar- rer! ich muß es bekennen; aber ich komme an den Bettelstab, wenn ich sie verliere.
Pfarrer. Vogt! es ist besser betteln, als ar- mer Leute Gut unrechtmäßig vorenthalten.
Der Vogt seufzet.
Pfarrer. Aber was thatest du auch mitten in der Nacht auf dem Berg?
Vogt. Um Gottes willen! fraget mich doch das nicht, Herr Pfarrer! ich kann's, ich darf's nicht sagen; habt Mitleiden mit mir, ich bin sonst verloren.
Pfarrer. Ich will dir nicht zumuthen, mir etwas zu offenbaren, das du nicht willst. Thust du es gern, so will ich dir rathen wie ein Vater; willst du es nicht thun, in Gottes Namen! so ist es dann deine Schuld, wenn ich dir da, wo du es vielleicht am nöthigsten hättest, nicht rathen kann. Aber da ich ohne deinen Willen von allem, was du mir sagen wirst, nichts offenbaren werde, so kann
ich
U 3
Vogt. Ich will ja thun, was ihr wollt, Herr Pfarrer!
Pfarrer. Willſt du dem Rudi ſeine Matte wieder zuruͤck geben?
Vogt. Um Gottes willen! ja, Herr Pfarrer!
Pfarrer. Erkenneſt du alſo, daß du ſie mit Unrecht beſitzeſt?
Vogt. In Gottes Namen! ja, Herr Pfar- rer! ich muß es bekennen; aber ich komme an den Bettelſtab, wenn ich ſie verliere.
Pfarrer. Vogt! es iſt beſſer betteln, als ar- mer Leute Gut unrechtmaͤßig vorenthalten.
Der Vogt ſeufzet.
Pfarrer. Aber was thateſt du auch mitten in der Nacht auf dem Berg?
Vogt. Um Gottes willen! fraget mich doch das nicht, Herr Pfarrer! ich kann’s, ich darf’s nicht ſagen; habt Mitleiden mit mir, ich bin ſonſt verloren.
Pfarrer. Ich will dir nicht zumuthen, mir etwas zu offenbaren, das du nicht willſt. Thuſt du es gern, ſo will ich dir rathen wie ein Vater; willſt du es nicht thun, in Gottes Namen! ſo iſt es dann deine Schuld, wenn ich dir da, wo du es vielleicht am noͤthigſten haͤtteſt, nicht rathen kann. Aber da ich ohne deinen Willen von allem, was du mir ſagen wirſt, nichts offenbaren werde, ſo kann
ich
U 3
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Vogt. Ich will ja thun, was ihr wollt,
Herr Pfarrer!
Pfarrer. Willſt du dem Rudi ſeine Matte
wieder zuruͤck geben?
Vogt. Um Gottes willen! ja, Herr Pfarrer!
Pfarrer. Erkenneſt du alſo, daß du ſie mit
Unrecht beſitzeſt?
Vogt. In Gottes Namen! ja, Herr Pfar-
rer! ich muß es bekennen; aber ich komme an
den Bettelſtab, wenn ich ſie verliere.
Pfarrer. Vogt! es iſt beſſer betteln, als ar-
mer Leute Gut unrechtmaͤßig vorenthalten.
Der Vogt ſeufzet.
Pfarrer. Aber was thateſt du auch mitten
in der Nacht auf dem Berg?
Vogt. Um Gottes willen! fraget mich doch
das nicht, Herr Pfarrer! ich kann’s, ich darf’s
nicht ſagen; habt Mitleiden mit mir, ich bin ſonſt
verloren.
Pfarrer. Ich will dir nicht zumuthen, mir
etwas zu offenbaren, das du nicht willſt. Thuſt
du es gern, ſo will ich dir rathen wie ein Vater;
willſt du es nicht thun, in Gottes Namen! ſo iſt
es dann deine Schuld, wenn ich dir da, wo du es
vielleicht am noͤthigſten haͤtteſt, nicht rathen kann.
Aber da ich ohne deinen Willen von allem, was du
mir ſagen wirſt, nichts offenbaren werde, ſo kann
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/334>, abgerufen am 16.02.2025.
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