Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Pfarrer. Ein gleiches, ihr Nachbaren! Aber
ich muß euch noch bitten, daß ihr euch in Acht
nehmet, was ihr über diesen Vorfall erzählet. Es
ist allemal unangenehm, wenn man groß Geschrey
von einer Sache macht, und wenn darnach heraus
kömmt, daß nichts an der Sache sey, oder et-
was ganz anders. Für jezt weiß einmal noch Nie-
mand, was eigentlich begegnet ist, und ihr wisset doch,
Nachbaren! die Nacht treugt.

Es ist so -- wohlehrwürdiger Herr Pfarrer!
sagten die Bauern inner der Thüre.

Und er ist immer so ein Narr, und will nichts
glauben, sagten sie draussen.


§. 77.
Seelsorgerarbeit.

Der Pfarrer aber redte mit dem Vogt herzlich;
Untervogt! ich habe vernommen, daß dir etwas
begegnet ist, und ich bin da, dir mit Trost, so gut ich
kann, an die Hand zu gehen. Sage mir aufrich-
tig, was ist dir eigentlich begegnet?

Vogt. Ich bin ein armer unglücklicher Tropf,
der leidige Satan hat mich nehmen wollen.

Pfarrer. Wie so, Vogt! wo ist dir das be-
gegnet?

Vogt.

Pfarrer. Ein gleiches, ihr Nachbaren! Aber
ich muß euch noch bitten, daß ihr euch in Acht
nehmet, was ihr uͤber dieſen Vorfall erzaͤhlet. Es
iſt allemal unangenehm, wenn man groß Geſchrey
von einer Sache macht, und wenn darnach heraus
koͤmmt, daß nichts an der Sache ſey, oder et-
was ganz anders. Fuͤr jezt weiß einmal noch Nie-
mand, was eigentlich begegnet iſt, und ihr wiſſet doch,
Nachbaren! die Nacht treugt.

Es iſt ſo — wohlehrwuͤrdiger Herr Pfarrer!
ſagten die Bauern inner der Thuͤre.

Und er iſt immer ſo ein Narr, und will nichts
glauben, ſagten ſie drauſſen.


§. 77.
Seelſorgerarbeit.

Der Pfarrer aber redte mit dem Vogt herzlich;
Untervogt! ich habe vernommen, daß dir etwas
begegnet iſt, und ich bin da, dir mit Troſt, ſo gut ich
kann, an die Hand zu gehen. Sage mir aufrich-
tig, was iſt dir eigentlich begegnet?

Vogt. Ich bin ein armer ungluͤcklicher Tropf,
der leidige Satan hat mich nehmen wollen.

Pfarrer. Wie ſo, Vogt! wo iſt dir das be-
gegnet?

Vogt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0331" n="306"/>
          <p><hi rendition="#fr">Pfarrer.</hi> Ein gleiches, ihr Nachbaren! Aber<lb/>
ich muß euch noch bitten, daß ihr euch in Acht<lb/>
nehmet, was ihr u&#x0364;ber die&#x017F;en Vorfall erza&#x0364;hlet. Es<lb/>
i&#x017F;t allemal unangenehm, wenn man groß Ge&#x017F;chrey<lb/>
von einer Sache macht, und wenn darnach heraus<lb/>
ko&#x0364;mmt, daß nichts an der Sache &#x017F;ey, oder et-<lb/>
was ganz anders. Fu&#x0364;r jezt weiß einmal noch Nie-<lb/>
mand, was eigentlich begegnet i&#x017F;t, und ihr wi&#x017F;&#x017F;et doch,<lb/>
Nachbaren! die Nacht treugt.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t &#x017F;o &#x2014; wohlehrwu&#x0364;rdiger Herr Pfarrer!<lb/>
&#x017F;agten die Bauern inner der Thu&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Und er i&#x017F;t immer &#x017F;o ein Narr, und will nichts<lb/>
glauben, &#x017F;agten &#x017F;ie drau&#x017F;&#x017F;en.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>§. 77.<lb/><hi rendition="#b">Seel&#x017F;orgerarbeit.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>er Pfarrer aber redte mit dem Vogt herzlich;<lb/>
Untervogt! ich habe vernommen, daß dir etwas<lb/>
begegnet i&#x017F;t, und ich bin da, dir mit Tro&#x017F;t, &#x017F;o gut ich<lb/>
kann, an die Hand zu gehen. Sage mir aufrich-<lb/>
tig, was i&#x017F;t dir eigentlich begegnet?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vogt.</hi> Ich bin ein armer unglu&#x0364;cklicher Tropf,<lb/>
der leidige Satan hat mich nehmen wollen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Pfarrer.</hi> Wie &#x017F;o, Vogt! wo i&#x017F;t dir das be-<lb/>
gegnet?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Vogt.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0331] Pfarrer. Ein gleiches, ihr Nachbaren! Aber ich muß euch noch bitten, daß ihr euch in Acht nehmet, was ihr uͤber dieſen Vorfall erzaͤhlet. Es iſt allemal unangenehm, wenn man groß Geſchrey von einer Sache macht, und wenn darnach heraus koͤmmt, daß nichts an der Sache ſey, oder et- was ganz anders. Fuͤr jezt weiß einmal noch Nie- mand, was eigentlich begegnet iſt, und ihr wiſſet doch, Nachbaren! die Nacht treugt. Es iſt ſo — wohlehrwuͤrdiger Herr Pfarrer! ſagten die Bauern inner der Thuͤre. Und er iſt immer ſo ein Narr, und will nichts glauben, ſagten ſie drauſſen. §. 77. Seelſorgerarbeit. Der Pfarrer aber redte mit dem Vogt herzlich; Untervogt! ich habe vernommen, daß dir etwas begegnet iſt, und ich bin da, dir mit Troſt, ſo gut ich kann, an die Hand zu gehen. Sage mir aufrich- tig, was iſt dir eigentlich begegnet? Vogt. Ich bin ein armer ungluͤcklicher Tropf, der leidige Satan hat mich nehmen wollen. Pfarrer. Wie ſo, Vogt! wo iſt dir das be- gegnet? Vogt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/331
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/331>, abgerufen am 22.11.2024.