Pfarrer. Wenn Gott einen Menschen dahin gebracht hat, daß er aufrichtige Busse thut, und im Ernst nach der Verzeihung seiner Sünden seufzet: so hat er ihm den Weg zur Verzeihung und zur Erhaltung aller geistlichen Gnaden schon gezeigt; glaube das, Wüst! Und wenn deine Busse dir auf- richtig von Herzen geht, so zweifle nicht, sie wird Gott wohlgefällig seyn.
Wüst. Aber kann ich es auch wissen, daß sie ihm wohlgefällig ist?
Pfarrer. Du kannst bey dir selber wahrlich wohl wissen, wenn du mit Ernst auf dich Achtung giebst, ob sie aufrichtig ist, und ganz von Herzen geht, und wenn sie aufrichtig ist, so ist sie Gott ge- fällig; das ist das Einzige, was ich sagen kann.
Siehe, Wüst! wenn einer dem Nachbar den Grund vom Acker weggepflügt hat -- und es reuet ihn: er geht, ohne daß der Nachbar es weiß, ohne daß er es fordert, für sich selber und im Stillen, pflügt den Grund dem Nachbar wieder an seinen Acker, und thut eher ein Uebriges, als zu wenig -- so muß ich denken, es sey ihm Ernst mit seiner Neue.
Giebt er ihm aber das Seinige nicht, oder nicht ganz zurück; braucht er im Zurückgeben Vortheil; sorgt er nur, daß ihm der Diebstahl nicht auskomme; ist ihm nur um sich selbst, und nicht um seinen Nach- bar zu thun, dem er Unrecht gethan hat: so sind
seine
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Pfarrer. Wenn Gott einen Menſchen dahin gebracht hat, daß er aufrichtige Buſſe thut, und im Ernſt nach der Verzeihung ſeiner Suͤnden ſeufzet: ſo hat er ihm den Weg zur Verzeihung und zur Erhaltung aller geiſtlichen Gnaden ſchon gezeigt; glaube das, Wuͤſt! Und wenn deine Buſſe dir auf- richtig von Herzen geht, ſo zweifle nicht, ſie wird Gott wohlgefaͤllig ſeyn.
Wuͤſt. Aber kann ich es auch wiſſen, daß ſie ihm wohlgefaͤllig iſt?
Pfarrer. Du kannſt bey dir ſelber wahrlich wohl wiſſen, wenn du mit Ernſt auf dich Achtung giebſt, ob ſie aufrichtig iſt, und ganz von Herzen geht, und wenn ſie aufrichtig iſt, ſo iſt ſie Gott ge- faͤllig; das iſt das Einzige, was ich ſagen kann.
Siehe, Wuͤſt! wenn einer dem Nachbar den Grund vom Acker weggepfluͤgt hat — und es reuet ihn: er geht, ohne daß der Nachbar es weiß, ohne daß er es fordert, fuͤr ſich ſelber und im Stillen, pfluͤgt den Grund dem Nachbar wieder an ſeinen Acker, und thut eher ein Uebriges, als zu wenig — ſo muß ich denken, es ſey ihm Ernſt mit ſeiner Neue.
Giebt er ihm aber das Seinige nicht, oder nicht ganz zuruͤck; braucht er im Zuruͤckgeben Vortheil; ſorgt er nur, daß ihm der Diebſtahl nicht auskomme; iſt ihm nur um ſich ſelbſt, und nicht um ſeinen Nach- bar zu thun, dem er Unrecht gethan hat: ſo ſind
ſeine
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Pfarrer. Wenn Gott einen Menſchen dahin
gebracht hat, daß er aufrichtige Buſſe thut, und im
Ernſt nach der Verzeihung ſeiner Suͤnden ſeufzet:
ſo hat er ihm den Weg zur Verzeihung und zur
Erhaltung aller geiſtlichen Gnaden ſchon gezeigt;
glaube das, Wuͤſt! Und wenn deine Buſſe dir auf-
richtig von Herzen geht, ſo zweifle nicht, ſie wird
Gott wohlgefaͤllig ſeyn.
Wuͤſt. Aber kann ich es auch wiſſen, daß
ſie ihm wohlgefaͤllig iſt?
Pfarrer. Du kannſt bey dir ſelber wahrlich
wohl wiſſen, wenn du mit Ernſt auf dich Achtung
giebſt, ob ſie aufrichtig iſt, und ganz von Herzen
geht, und wenn ſie aufrichtig iſt, ſo iſt ſie Gott ge-
faͤllig; das iſt das Einzige, was ich ſagen kann.
Siehe, Wuͤſt! wenn einer dem Nachbar den
Grund vom Acker weggepfluͤgt hat — und es reuet
ihn: er geht, ohne daß der Nachbar es weiß, ohne
daß er es fordert, fuͤr ſich ſelber und im Stillen,
pfluͤgt den Grund dem Nachbar wieder an ſeinen Acker,
und thut eher ein Uebriges, als zu wenig — ſo muß
ich denken, es ſey ihm Ernſt mit ſeiner Neue.
Giebt er ihm aber das Seinige nicht, oder nicht
ganz zuruͤck; braucht er im Zuruͤckgeben Vortheil;
ſorgt er nur, daß ihm der Diebſtahl nicht auskomme;
iſt ihm nur um ſich ſelbſt, und nicht um ſeinen Nach-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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