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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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alle dankten Gott für die tausend Proben seiner Va-
tergüte, die sie in ihrem Leben genossen hatten.

O Kinder meines Dorfs! werdet doch fromm,
und bleibet einfältig und unschuldig -- Ich habe
gesehn, wie das schlaue und arglistige Wesen einen
Ausgang nimmt. -- Hummel und seine Gesellen
waren weit schlauer, als alle andern; sie wußten im-
mer tausend Dinge, wovon uns andern nichts träum-
te. -- Das machte sie stolz, und sie glaubten, der
Einfältigere sey nur darum in der Welt, daß er ihr
Narr wäre. Sie frassen einige Zeit das Brod der
Wittwen und der Waisen, und tobten und wütheten
gegen die, so nicht ihre Knie bogen vor ihnen --
Aber ihr Ende hat sich genähert. Der Herr im
Himmel hörte der Wittwen und der Waisen Seuf-
zen -- Er sah die Thränen der Mütter, die sie
mit ihren Kindern weinten über den gottlosen Bu-
ben, die ihre Männer und Väter verführten und
drängten; und der Herr im Himmel half dem Un-
terdrückten und dem Waisen, der keine Hoffnung
mehr hatte, zu seinem Rechte zu gelangen.



§. 62.

alle dankten Gott fuͤr die tauſend Proben ſeiner Va-
terguͤte, die ſie in ihrem Leben genoſſen hatten.

O Kinder meines Dorfs! werdet doch fromm,
und bleibet einfaͤltig und unſchuldig — Ich habe
geſehn, wie das ſchlaue und argliſtige Weſen einen
Ausgang nimmt. — Hummel und ſeine Geſellen
waren weit ſchlauer, als alle andern; ſie wußten im-
mer tauſend Dinge, wovon uns andern nichts traͤum-
te. — Das machte ſie ſtolz, und ſie glaubten, der
Einfaͤltigere ſey nur darum in der Welt, daß er ihr
Narr waͤre. Sie fraſſen einige Zeit das Brod der
Wittwen und der Waiſen, und tobten und wuͤtheten
gegen die, ſo nicht ihre Knie bogen vor ihnen —
Aber ihr Ende hat ſich genaͤhert. Der Herr im
Himmel hoͤrte der Wittwen und der Waiſen Seuf-
zen — Er ſah die Thraͤnen der Muͤtter, die ſie
mit ihren Kindern weinten uͤber den gottloſen Bu-
ben, die ihre Maͤnner und Vaͤter verfuͤhrten und
draͤngten; und der Herr im Himmel half dem Un-
terdruͤckten und dem Waiſen, der keine Hoffnung
mehr hatte, zu ſeinem Rechte zu gelangen.



§. 62.
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[271/0296] alle dankten Gott fuͤr die tauſend Proben ſeiner Va- terguͤte, die ſie in ihrem Leben genoſſen hatten. O Kinder meines Dorfs! werdet doch fromm, und bleibet einfaͤltig und unſchuldig — Ich habe geſehn, wie das ſchlaue und argliſtige Weſen einen Ausgang nimmt. — Hummel und ſeine Geſellen waren weit ſchlauer, als alle andern; ſie wußten im- mer tauſend Dinge, wovon uns andern nichts traͤum- te. — Das machte ſie ſtolz, und ſie glaubten, der Einfaͤltigere ſey nur darum in der Welt, daß er ihr Narr waͤre. Sie fraſſen einige Zeit das Brod der Wittwen und der Waiſen, und tobten und wuͤtheten gegen die, ſo nicht ihre Knie bogen vor ihnen — Aber ihr Ende hat ſich genaͤhert. Der Herr im Himmel hoͤrte der Wittwen und der Waiſen Seuf- zen — Er ſah die Thraͤnen der Muͤtter, die ſie mit ihren Kindern weinten uͤber den gottloſen Bu- ben, die ihre Maͤnner und Vaͤter verfuͤhrten und draͤngten; und der Herr im Himmel half dem Un- terdruͤckten und dem Waiſen, der keine Hoffnung mehr hatte, zu ſeinem Rechte zu gelangen. §. 62.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/296>, abgerufen am 23.11.2024.