§. 50. Unarten und böse Gewohnheiten verder- ben dem Menschen auch die angeneh- men Stunden, in denen er etwas Gu- tes thut.
Lise geht indessen allgemach in ihrem Schritt ins obere Dorf zu des Reutimarren Betheli. Dieses stuhnd eben am Fenster. Lise winkt ihm, und das Betheli schleicht aus der Stube zu ihm heraus -- Der Vater aber, der es merkt, schleicht ihm nach, und versteckt sich hinter das Tennthor.
Die Kinder vor dem Tennthor denken an kei- nen Vater, und schwatzen nach Herzenslust.
Lise. Du, Betheli! ich habe dir da Brod.
Betheli. (Das zitternd die Hand darnach streckt) Du bist gut, Lise! Es hungert mich; aber warum bringst du mir jezt Brod?
Lise. Weil du mir lieb bist, Betheli! Wir haben jezt genug Brod; mein Vater muß die Kirche bauen.
Betheli. Meiner auch.
Lise. Ja, aber deiner ist nur Handlanger.
Betheli. Das ist gleich viel, wenn's nur Brod giebt.
Lise.
Q 3
§. 50. Unarten und boͤſe Gewohnheiten verder- ben dem Menſchen auch die angeneh- men Stunden, in denen er etwas Gu- tes thut.
Liſe geht indeſſen allgemach in ihrem Schritt ins obere Dorf zu des Reutimarren Betheli. Dieſes ſtuhnd eben am Fenſter. Liſe winkt ihm, und das Betheli ſchleicht aus der Stube zu ihm heraus — Der Vater aber, der es merkt, ſchleicht ihm nach, und verſteckt ſich hinter das Tennthor.
Die Kinder vor dem Tennthor denken an kei- nen Vater, und ſchwatzen nach Herzensluſt.
Liſe. Du, Betheli! ich habe dir da Brod.
Betheli. (Das zitternd die Hand darnach ſtreckt) Du biſt gut, Liſe! Es hungert mich; aber warum bringſt du mir jezt Brod?
Liſe. Weil du mir lieb biſt, Betheli! Wir haben jezt genug Brod; mein Vater muß die Kirche bauen.
Betheli. Meiner auch.
Liſe. Ja, aber deiner iſt nur Handlanger.
Betheli. Das iſt gleich viel, wenn’s nur Brod giebt.
Liſe.
Q 3
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§. 50.
Unarten und boͤſe Gewohnheiten verder-
ben dem Menſchen auch die angeneh-
men Stunden, in denen er etwas Gu-
tes thut.
Liſe geht indeſſen allgemach in ihrem Schritt ins
obere Dorf zu des Reutimarren Betheli. Dieſes
ſtuhnd eben am Fenſter. Liſe winkt ihm, und das
Betheli ſchleicht aus der Stube zu ihm heraus —
Der Vater aber, der es merkt, ſchleicht ihm nach,
und verſteckt ſich hinter das Tennthor.
Die Kinder vor dem Tennthor denken an kei-
nen Vater, und ſchwatzen nach Herzensluſt.
Liſe. Du, Betheli! ich habe dir da Brod.
Betheli. (Das zitternd die Hand darnach ſtreckt)
Du biſt gut, Liſe! Es hungert mich; aber warum
bringſt du mir jezt Brod?
Liſe. Weil du mir lieb biſt, Betheli! Wir
haben jezt genug Brod; mein Vater muß die Kirche
bauen.
Betheli. Meiner auch.
Liſe. Ja, aber deiner iſt nur Handlanger.
Betheli. Das iſt gleich viel, wenn’s nur Brod
giebt.
Liſe.
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/270>, abgerufen am 23.02.2025.
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