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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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Bauern. Ja, ja!

Vogt. Es war mir so wunderlich als es mir
seyn konnte; und unausstehlich allein zu seyn.

Vögtinn. Das ist gleich viel. Aber Nach-
baren! geht doch so schnell ihr könnet durch die
hintere Thür heim, und machet, daß das Volk,
wenn es aus der Kirche kommt, einen jeden vor
seinem Hause antreffe; so könnt ihr die Sache noch
bemänteln. Man hat noch nicht vollends ausgesun-
gen; aber gehet, es ist doch Zeit.

Vogt. Ja, gehet -- gehet -- das ist ein Abi-
gailsrath.

Die Bauern giengen.

Da erzählte die Frau ihm erst recht, daß der
Pfarrer vom Judas geprediget hätte; wie der Teufel
ihm in sein Herz gefahren wäre -- wie er sich er-
hängt hätte, und wie die, so vom Nachtmahl weggien-
gen, zu saufen und zu spielen, ein gleiches Ende
nehmen würden. Er war so eifrig, sagte die Frau,
daß er mit den Fäusten auf's Kanzelbrett schluge,
und mir ist schier geschwunden und ohnmächtig
worden.

Der Vogt aber erschrack über das, so die Frau
erzählte, so sehr, daß er war wie ein Stummer,
und kein Wort antwortete. Aber schwäre tiefe
Seufzer thönten jezt aus dem stolzen Munde, den
man Jahre lang nie so seufzen gehört hatte.

Seine

Bauern. Ja, ja!

Vogt. Es war mir ſo wunderlich als es mir
ſeyn konnte; und unausſtehlich allein zu ſeyn.

Voͤgtinn. Das iſt gleich viel. Aber Nach-
baren! geht doch ſo ſchnell ihr koͤnnet durch die
hintere Thuͤr heim, und machet, daß das Volk,
wenn es aus der Kirche kommt, einen jeden vor
ſeinem Hauſe antreffe; ſo koͤnnt ihr die Sache noch
bemaͤnteln. Man hat noch nicht vollends ausgeſun-
gen; aber gehet, es iſt doch Zeit.

Vogt. Ja, gehet — gehet — das iſt ein Abi-
gailsrath.

Die Bauern giengen.

Da erzaͤhlte die Frau ihm erſt recht, daß der
Pfarrer vom Judas geprediget haͤtte; wie der Teufel
ihm in ſein Herz gefahren waͤre — wie er ſich er-
haͤngt haͤtte, und wie die, ſo vom Nachtmahl weggien-
gen, zu ſaufen und zu ſpielen, ein gleiches Ende
nehmen wuͤrden. Er war ſo eifrig, ſagte die Frau,
daß er mit den Faͤuſten auf’s Kanzelbrett ſchluge,
und mir iſt ſchier geſchwunden und ohnmaͤchtig
worden.

Der Vogt aber erſchrack uͤber das, ſo die Frau
erzaͤhlte, ſo ſehr, daß er war wie ein Stummer,
und kein Wort antwortete. Aber ſchwaͤre tiefe
Seufzer thoͤnten jezt aus dem ſtolzen Munde, den
man Jahre lang nie ſo ſeufzen gehoͤrt hatte.

Seine
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[221/0246] Bauern. Ja, ja! Vogt. Es war mir ſo wunderlich als es mir ſeyn konnte; und unausſtehlich allein zu ſeyn. Voͤgtinn. Das iſt gleich viel. Aber Nach- baren! geht doch ſo ſchnell ihr koͤnnet durch die hintere Thuͤr heim, und machet, daß das Volk, wenn es aus der Kirche kommt, einen jeden vor ſeinem Hauſe antreffe; ſo koͤnnt ihr die Sache noch bemaͤnteln. Man hat noch nicht vollends ausgeſun- gen; aber gehet, es iſt doch Zeit. Vogt. Ja, gehet — gehet — das iſt ein Abi- gailsrath. Die Bauern giengen. Da erzaͤhlte die Frau ihm erſt recht, daß der Pfarrer vom Judas geprediget haͤtte; wie der Teufel ihm in ſein Herz gefahren waͤre — wie er ſich er- haͤngt haͤtte, und wie die, ſo vom Nachtmahl weggien- gen, zu ſaufen und zu ſpielen, ein gleiches Ende nehmen wuͤrden. Er war ſo eifrig, ſagte die Frau, daß er mit den Faͤuſten auf’s Kanzelbrett ſchluge, und mir iſt ſchier geſchwunden und ohnmaͤchtig worden. Der Vogt aber erſchrack uͤber das, ſo die Frau erzaͤhlte, ſo ſehr, daß er war wie ein Stummer, und kein Wort antwortete. Aber ſchwaͤre tiefe Seufzer thoͤnten jezt aus dem ſtolzen Munde, den man Jahre lang nie ſo ſeufzen gehoͤrt hatte. Seine

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/246>, abgerufen am 24.11.2024.