Mutter. Mir auch, du Lieber! Aber du denkst nicht daran, wenn ich dich nicht abstrafe. Du mußst jezt ungeessen ins Bett. Sie sagts, und führt den Knaben von den andern Kindern weg in seine Kammer. Seine Geschwister standen alle traurig in der Stube umher; es that ihnen weh, daß der liebe Niclas nicht zu Nacht essen mußte.
Daß ihr euch doch nicht mit Liebe leiten lassen wollt, Kinder! sagte ihnen die Mutter.
Laß ihn doch diesmal wieder heraus, sagten die Kinder.
Nein, meine Lieben! Seine Unvorsichtigkeit muß ihm abgewöhnt werden, antwortete die Mutter.
So wollen wir jezt die Batzen nicht sehn bis morgen; er sieht sie denn mit uns, sagte Enne.
Und die Mutter: Das ist recht, Enne! Ja, er muß sie alsdann mit euch sehn.
Jezt gab sie noch den Kindern ihr Nachtessen, und gieng dann mit ihnen in ihre Kammer, wo Niclas noch weinte.
Nimm dich doch ein andermal in Acht, lieber, lieber Niclas! sagte ihm die Mutter.
Und Niclas! Verzeih mir's doch, meine liebe, liebe Mutter! Verzeih mir's doch, und küsse mich; ich will gern nichts zu Nacht essen.
Da küßte Gertrud ihren Niclas und eine heisse Thräne floß auf sein Antlitz, als sie ihm sagte: O Niclas! Niclas! werde bedachtsam -- Niclas
mit
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Mutter. Mir auch, du Lieber! Aber du denkſt nicht daran, wenn ich dich nicht abſtrafe. Du mußſt jezt ungeeſſen ins Bett. Sie ſagts, und fuͤhrt den Knaben von den andern Kindern weg in ſeine Kammer. Seine Geſchwiſter ſtanden alle traurig in der Stube umher; es that ihnen weh, daß der liebe Niclas nicht zu Nacht eſſen mußte.
Daß ihr euch doch nicht mit Liebe leiten laſſen wollt, Kinder! ſagte ihnen die Mutter.
Laß ihn doch diesmal wieder heraus, ſagten die Kinder.
Nein, meine Lieben! Seine Unvorſichtigkeit muß ihm abgewoͤhnt werden, antwortete die Mutter.
So wollen wir jezt die Batzen nicht ſehn bis morgen; er ſieht ſie denn mit uns, ſagte Enne.
Und die Mutter: Das iſt recht, Enne! Ja, er muß ſie alsdann mit euch ſehn.
Jezt gab ſie noch den Kindern ihr Nachteſſen, und gieng dann mit ihnen in ihre Kammer, wo Niclas noch weinte.
Nimm dich doch ein andermal in Acht, lieber, lieber Niclas! ſagte ihm die Mutter.
Und Niclas! Verzeih mir’s doch, meine liebe, liebe Mutter! Verzeih mir’s doch, und kuͤſſe mich; ich will gern nichts zu Nacht eſſen.
Da kuͤßte Gertrud ihren Niclas und eine heiſſe Thraͤne floß auf ſein Antlitz, als ſie ihm ſagte: O Niclas! Niclas! werde bedachtſam — Niclas
mit
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Mutter. Mir auch, du Lieber! Aber du denkſt
nicht daran, wenn ich dich nicht abſtrafe. Du
mußſt jezt ungeeſſen ins Bett. Sie ſagts, und fuͤhrt
den Knaben von den andern Kindern weg in ſeine
Kammer. Seine Geſchwiſter ſtanden alle traurig
in der Stube umher; es that ihnen weh, daß der
liebe Niclas nicht zu Nacht eſſen mußte.
Daß ihr euch doch nicht mit Liebe leiten laſſen
wollt, Kinder! ſagte ihnen die Mutter.
Laß ihn doch diesmal wieder heraus, ſagten die
Kinder.
Nein, meine Lieben! Seine Unvorſichtigkeit
muß ihm abgewoͤhnt werden, antwortete die Mutter.
So wollen wir jezt die Batzen nicht ſehn bis
morgen; er ſieht ſie denn mit uns, ſagte Enne.
Und die Mutter: Das iſt recht, Enne! Ja,
er muß ſie alsdann mit euch ſehn.
Jezt gab ſie noch den Kindern ihr Nachteſſen,
und gieng dann mit ihnen in ihre Kammer, wo
Niclas noch weinte.
Nimm dich doch ein andermal in Acht, lieber,
lieber Niclas! ſagte ihm die Mutter.
Und Niclas! Verzeih mir’s doch, meine liebe,
liebe Mutter! Verzeih mir’s doch, und kuͤſſe mich;
ich will gern nichts zu Nacht eſſen.
Da kuͤßte Gertrud ihren Niclas und eine heiſſe
Thraͤne floß auf ſein Antlitz, als ſie ihm ſagte:
O Niclas! Niclas! werde bedachtſam — Niclas
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/208>, abgerufen am 16.02.2025.
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