ter es nicht hätte sagen dürfen, daß er es schon wisse, und wenn er so Verdruß von deinem Ge- schwätze gehabt hätte?
Lise. Es würde mir sehr leid seyn; aber weder du noch er haben doch kein Wort gesagt, daß es Niemand wissen soll.
Mutter. Ja, ich will's dem Vater sagen, wenn er heim kömmt. Wir müssen so zu al- len Worten, die wir in der Stube reden, allemal hinzusetzen: Das darf jezt die Lise sagen bey den Nachbaren, und beym Brunnen erzählen -- aber das nicht -- und das nicht -- und das wieder -- so weißst du denn recht ordentlich und richtig, wo- von du plappern darfst.
Lise. Verzeih mir doch, Mutter! Ich meynte es auch nicht so.
Mutter. Man hat es dir für ein und allemal gesagt, daß du in nichts, was dich nicht angeht, plaudern sollst; aber es ist vergeblich. Der Feh- ler ist dir nicht abzugewöhnen, als mit Ernst, und das erstemal, daß ich dich wieder bey so unbeson- nenem Geschwätz antreffen werde, werde ich dich mit der Ruthe abstrafen.
Die Thränen schossen der Lise in die Augen, da die Mutter von der Ruthe redte. Die Mutter sah es, und sagte zu ihr: Lise! die größsten Unglücke entstehen aus unvorsichtigem Geschwätze, und dieser Fehler muß dir abgewöhnt seyn.
So
ter es nicht haͤtte ſagen duͤrfen, daß er es ſchon wiſſe, und wenn er ſo Verdruß von deinem Ge- ſchwaͤtze gehabt haͤtte?
Liſe. Es wuͤrde mir ſehr leid ſeyn; aber weder du noch er haben doch kein Wort geſagt, daß es Niemand wiſſen ſoll.
Mutter. Ja, ich will’s dem Vater ſagen, wenn er heim koͤmmt. Wir muͤſſen ſo zu al- len Worten, die wir in der Stube reden, allemal hinzuſetzen: Das darf jezt die Liſe ſagen bey den Nachbaren, und beym Brunnen erzaͤhlen — aber das nicht — und das nicht — und das wieder — ſo weißſt du denn recht ordentlich und richtig, wo- von du plappern darfſt.
Liſe. Verzeih mir doch, Mutter! Ich meynte es auch nicht ſo.
Mutter. Man hat es dir fuͤr ein und allemal geſagt, daß du in nichts, was dich nicht angeht, plaudern ſollſt; aber es iſt vergeblich. Der Feh- ler iſt dir nicht abzugewoͤhnen, als mit Ernſt, und das erſtemal, daß ich dich wieder bey ſo unbeſon- nenem Geſchwaͤtz antreffen werde, werde ich dich mit der Ruthe abſtrafen.
Die Thraͤnen ſchoſſen der Liſe in die Augen, da die Mutter von der Ruthe redte. Die Mutter ſah es, und ſagte zu ihr: Liſe! die groͤßſten Ungluͤcke entſtehen aus unvorſichtigem Geſchwaͤtze, und dieſer Fehler muß dir abgewoͤhnt ſeyn.
So
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0201"n="176"/>
ter es nicht haͤtte ſagen duͤrfen, daß er es ſchon<lb/>
wiſſe, und wenn er ſo Verdruß von deinem Ge-<lb/>ſchwaͤtze gehabt haͤtte?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Liſe.</hi> Es wuͤrde mir ſehr leid ſeyn; aber weder<lb/>
du noch er haben doch kein Wort geſagt, daß es<lb/>
Niemand wiſſen ſoll.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Mutter.</hi> Ja, ich will’s dem Vater ſagen,<lb/>
wenn er heim koͤmmt. Wir muͤſſen ſo zu al-<lb/>
len Worten, die wir in der Stube reden, allemal<lb/>
hinzuſetzen: Das darf jezt die Liſe ſagen bey den<lb/>
Nachbaren, und beym Brunnen erzaͤhlen — aber<lb/>
das nicht — und das nicht — und das wieder —<lb/>ſo weißſt du denn recht ordentlich und richtig, wo-<lb/>
von du plappern darfſt.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Liſe.</hi> Verzeih mir doch, Mutter! Ich meynte<lb/>
es auch nicht ſo.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Mutter.</hi> Man hat es dir fuͤr ein und allemal<lb/>
geſagt, daß du in nichts, was dich nicht angeht,<lb/>
plaudern ſollſt; aber es iſt vergeblich. Der Feh-<lb/>
ler iſt dir nicht abzugewoͤhnen, als mit Ernſt, und<lb/>
das erſtemal, daß ich dich wieder bey ſo unbeſon-<lb/>
nenem Geſchwaͤtz antreffen werde, werde ich dich<lb/>
mit der Ruthe abſtrafen.</p><lb/><p>Die Thraͤnen ſchoſſen der Liſe in die Augen, da<lb/>
die Mutter von der Ruthe redte. Die Mutter ſah<lb/>
es, und ſagte zu ihr: Liſe! die groͤßſten Ungluͤcke<lb/>
entſtehen aus unvorſichtigem Geſchwaͤtze, und dieſer<lb/>
Fehler muß dir abgewoͤhnt ſeyn.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">So</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[176/0201]
ter es nicht haͤtte ſagen duͤrfen, daß er es ſchon
wiſſe, und wenn er ſo Verdruß von deinem Ge-
ſchwaͤtze gehabt haͤtte?
Liſe. Es wuͤrde mir ſehr leid ſeyn; aber weder
du noch er haben doch kein Wort geſagt, daß es
Niemand wiſſen ſoll.
Mutter. Ja, ich will’s dem Vater ſagen,
wenn er heim koͤmmt. Wir muͤſſen ſo zu al-
len Worten, die wir in der Stube reden, allemal
hinzuſetzen: Das darf jezt die Liſe ſagen bey den
Nachbaren, und beym Brunnen erzaͤhlen — aber
das nicht — und das nicht — und das wieder —
ſo weißſt du denn recht ordentlich und richtig, wo-
von du plappern darfſt.
Liſe. Verzeih mir doch, Mutter! Ich meynte
es auch nicht ſo.
Mutter. Man hat es dir fuͤr ein und allemal
geſagt, daß du in nichts, was dich nicht angeht,
plaudern ſollſt; aber es iſt vergeblich. Der Feh-
ler iſt dir nicht abzugewoͤhnen, als mit Ernſt, und
das erſtemal, daß ich dich wieder bey ſo unbeſon-
nenem Geſchwaͤtz antreffen werde, werde ich dich
mit der Ruthe abſtrafen.
Die Thraͤnen ſchoſſen der Liſe in die Augen, da
die Mutter von der Ruthe redte. Die Mutter ſah
es, und ſagte zu ihr: Liſe! die groͤßſten Ungluͤcke
entſtehen aus unvorſichtigem Geſchwaͤtze, und dieſer
Fehler muß dir abgewoͤhnt ſeyn.
So
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/201>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.