glaub mir, dieses unbedachtsame Wesen würde dich gewiß unglücklich machen.
Niclas. Liebe, liebe Mutter! ich weiß es und ich glaub es, und ich will gewiß Acht geben.
Mutter. Und du, Lise! wie hast du dich in dieser Woche aufgeführt?
Lise. Ich weiß einmal nichts anders diese Woche, Mutter!
Mutter. Gewiß nicht?
Lise. Nein einmal, Mutter! so viel ich mich besinne; ich wollte es sonst gern sagen, Mutter!
Mutter. Daß du immer, auch wenn du nichts weißst, mit so viel Worten antwortest, als ein an- ders, wenn es recht viel zu sagen hat.
Lise. Was habe ich jezt denn auch gesagt, Mut- ter?
Mutter. Eben nichts, und doch viel geant- wortet. Es ist das, was wir dir tausendmal schon sagten, du seyst nicht bescheiden, du besinnest dich über nichts, was du reden sollst, und müssest doch immer geredt haben -- Was hattest du gerad vor- gestern dem Untervogt zu sagen, du wissest, daß Arner bald kommen werde?
Lise. Es ist mir leid, Mutter!
Mutter. Wir haben's dir schon so oft gesagt, daß du nicht in alles, was dich nicht angeht, re- den sollst, insonderheit vor fremden Leuten; und doch thust du es immerfort -- Wenn jezt dein Va-
Niclas. Liebe, liebe Mutter! ich weiß es und ich glaub es, und ich will gewiß Acht geben.
Mutter. Und du, Liſe! wie haſt du dich in dieſer Woche aufgefuͤhrt?
Liſe. Ich weiß einmal nichts anders dieſe Woche, Mutter!
Mutter. Gewiß nicht?
Liſe. Nein einmal, Mutter! ſo viel ich mich beſinne; ich wollte es ſonſt gern ſagen, Mutter!
Mutter. Daß du immer, auch wenn du nichts weißſt, mit ſo viel Worten antworteſt, als ein an- ders, wenn es recht viel zu ſagen hat.
Liſe. Was habe ich jezt denn auch geſagt, Mut- ter?
Mutter. Eben nichts, und doch viel geant- wortet. Es iſt das, was wir dir tauſendmal ſchon ſagten, du ſeyſt nicht beſcheiden, du beſinneſt dich uͤber nichts, was du reden ſollſt, und muͤſſeſt doch immer geredt haben — Was hatteſt du gerad vor- geſtern dem Untervogt zu ſagen, du wiſſeſt, daß Arner bald kommen werde?
Liſe. Es iſt mir leid, Mutter!
Mutter. Wir haben’s dir ſchon ſo oft geſagt, daß du nicht in alles, was dich nicht angeht, re- den ſollſt, inſonderheit vor fremden Leuten; und doch thuſt du es immerfort — Wenn jezt dein Va-
ter
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glaub mir, dieſes unbedachtſame Weſen wuͤrde dich
gewiß ungluͤcklich machen.
Niclas. Liebe, liebe Mutter! ich weiß es und
ich glaub es, und ich will gewiß Acht geben.
Mutter. Und du, Liſe! wie haſt du dich in
dieſer Woche aufgefuͤhrt?
Liſe. Ich weiß einmal nichts anders dieſe
Woche, Mutter!
Mutter. Gewiß nicht?
Liſe. Nein einmal, Mutter! ſo viel ich mich
beſinne; ich wollte es ſonſt gern ſagen, Mutter!
Mutter. Daß du immer, auch wenn du nichts
weißſt, mit ſo viel Worten antworteſt, als ein an-
ders, wenn es recht viel zu ſagen hat.
Liſe. Was habe ich jezt denn auch geſagt, Mut-
ter?
Mutter. Eben nichts, und doch viel geant-
wortet. Es iſt das, was wir dir tauſendmal ſchon
ſagten, du ſeyſt nicht beſcheiden, du beſinneſt dich
uͤber nichts, was du reden ſollſt, und muͤſſeſt doch
immer geredt haben — Was hatteſt du gerad vor-
geſtern dem Untervogt zu ſagen, du wiſſeſt, daß
Arner bald kommen werde?
Liſe. Es iſt mir leid, Mutter!
Mutter. Wir haben’s dir ſchon ſo oft geſagt,
daß du nicht in alles, was dich nicht angeht, re-
den ſollſt, inſonderheit vor fremden Leuten; und
doch thuſt du es immerfort — Wenn jezt dein Va-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/200>, abgerufen am 16.07.2024.
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