Und nun, Gott Lob! ich habe jezt eine Weile nichts mehr von ihnen zu erzählen. Ich kehre zu- rück zu Lienhard und Gertrud -- Wie das eine Welt ist! Bald steht neben einem Hundsstall ein Garten, und auf einer Wiese ist bald stinkender Unrath, bald herrliches, [m]ilchreiches Futter.
Ja, es ist wunderlich auf der Welt! Selbst die schönen Wiesen geben ohne den Unrath, den wir darauf schütten, kein Futter.
Pinsel das Laster mahlt, und kühn ist, und das Tiefste treffend enthüllet, entweihet das Herz nicht mit der Gewalt, mit der es der Mund thut, wenn er mit gleicher Kühnheit das Laster ent- blößt darstellt. Das ist keine Lobrede für alle angebeteten Dich- ter; aber es dünkt mich hingegen, besonders in einem Jahrhundert, wo es der allgemeine Ton ist, den Kopf mit Bildern des Müßiggangs, an- statt mit Berufs- und Geschäftssachen zu füllen, eine für das Menschengeschlecht höchst wichtige Wahrheit.
§. 31.
L 2
Und nun, Gott Lob! ich habe jezt eine Weile nichts mehr von ihnen zu erzaͤhlen. Ich kehre zu- ruͤck zu Lienhard und Gertrud — Wie das eine Welt iſt! Bald ſteht neben einem Hundsſtall ein Garten, und auf einer Wieſe iſt bald ſtinkender Unrath, bald herrliches, [m]ilchreiches Futter.
Ja, es iſt wunderlich auf der Welt! Selbſt die ſchoͤnen Wieſen geben ohne den Unrath, den wir darauf ſchuͤtten, kein Futter.
Pinſel das Laſter mahlt, und kuͤhn iſt, und das Tiefſte treffend enthuͤllet, entweihet das Herz nicht mit der Gewalt, mit der es der Mund thut, wenn er mit gleicher Kuͤhnheit das Laſter ent- bloͤßt darſtellt. Das iſt keine Lobrede fuͤr alle angebeteten Dich- ter; aber es duͤnkt mich hingegen, beſonders in einem Jahrhundert, wo es der allgemeine Ton iſt, den Kopf mit Bildern des Muͤßiggangs, an- ſtatt mit Berufs- und Geſchaͤftsſachen zu fuͤllen, eine fuͤr das Menſchengeſchlecht hoͤchſt wichtige Wahrheit.
§. 31.
L 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0190"n="165"/><p>Und nun, Gott Lob! ich habe jezt eine Weile<lb/>
nichts mehr von ihnen zu erzaͤhlen. Ich kehre zu-<lb/>
ruͤck zu Lienhard und Gertrud — Wie das eine<lb/>
Welt iſt! Bald ſteht neben einem Hundsſtall ein<lb/>
Garten, und auf einer Wieſe iſt bald ſtinkender<lb/>
Unrath, bald herrliches, <supplied>m</supplied>ilchreiches Futter.</p><lb/><p>Ja, es iſt wunderlich auf der Welt! Selbſt<lb/>
die ſchoͤnen Wieſen geben ohne den Unrath, den<lb/>
wir darauf ſchuͤtten, kein Futter.</p><lb/><noteplace="end">Pinſel das Laſter mahlt, und kuͤhn iſt, und das<lb/>
Tiefſte treffend enthuͤllet, entweihet das Herz nicht<lb/>
mit der Gewalt, mit der es der Mund thut,<lb/>
wenn er mit gleicher Kuͤhnheit das Laſter ent-<lb/>
bloͤßt darſtellt.<lb/>
Das iſt keine Lobrede fuͤr alle angebeteten Dich-<lb/>
ter; aber es duͤnkt mich hingegen, beſonders in<lb/>
einem Jahrhundert, wo es der allgemeine Ton<lb/>
iſt, den Kopf mit Bildern des Muͤßiggangs, an-<lb/>ſtatt mit Berufs- und Geſchaͤftsſachen zu fuͤllen,<lb/>
eine fuͤr das Menſchengeſchlecht hoͤchſt wichtige<lb/>
Wahrheit.</note></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="sig">L 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">§. 31.</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[165/0190]
Und nun, Gott Lob! ich habe jezt eine Weile
nichts mehr von ihnen zu erzaͤhlen. Ich kehre zu-
ruͤck zu Lienhard und Gertrud — Wie das eine
Welt iſt! Bald ſteht neben einem Hundsſtall ein
Garten, und auf einer Wieſe iſt bald ſtinkender
Unrath, bald herrliches, milchreiches Futter.
Ja, es iſt wunderlich auf der Welt! Selbſt
die ſchoͤnen Wieſen geben ohne den Unrath, den
wir darauf ſchuͤtten, kein Futter.
Pinſel das Laſter mahlt, und kuͤhn iſt, und das
Tiefſte treffend enthuͤllet, entweihet das Herz nicht
mit der Gewalt, mit der es der Mund thut,
wenn er mit gleicher Kuͤhnheit das Laſter ent-
bloͤßt darſtellt.
Das iſt keine Lobrede fuͤr alle angebeteten Dich-
ter; aber es duͤnkt mich hingegen, beſonders in
einem Jahrhundert, wo es der allgemeine Ton
iſt, den Kopf mit Bildern des Muͤßiggangs, an-
ſtatt mit Berufs- und Geſchaͤftsſachen zu fuͤllen,
eine fuͤr das Menſchengeſchlecht hoͤchſt wichtige
Wahrheit.
§. 31.
L 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/190>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.