[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.Und sie brummte noch von Josephs Thalern, Wangen behalten, so wird der Zug deiner Jugend dir Freude machen im Alter; aber wirst du diese sanfte Unschuld deines Herzens der Kühnheit dei- nes anwachsenden Muths aufopfern -- wird dein blitzendes Auge einst sich nicht mehr niederschla- gen, nicht mehr Thränen fallen lassen; wird dei- ne Wange nicht mehr erröthen, beym Anblick dessen, was unrecht und schändlich ist, Jüngling! dann wirst du ob dieser Stelle weinen, oder sie vielleicht nicht mehr werth achten, sie zu lesen. In diesem Augenblick mußte mir natürlich der Gedanke auffallen: Wie weit darf ein sittlicher Schriftsteller das Laster mahlen? Darf mein Mund aussprechen, was Hogarth und ** ge- mahlt haben? Aussprechen das Thun dieser Men- schen, die ich ohne Bedenken vom Pinsel und vom Grabstichel gemahlt sehe? Mein Gefühl beht zurücke, wenn ich's in Worte bringe und aus- spreche, das Thun dieser Menschen, und ich sehe mich um, ob mich Niemand höre. Aber das Bild des Mahlers seh ich hingelehnt am Arme des Besten, des Edelsten, und scheue mich nicht. Die Zunge des Menschen, sein Mund, sind enger mit dem Gefühl seines Herzens verbunden, als seine Hand. Die Kunst, die mit Hand und Und
Und ſie brummte noch von Joſephs Thalern, Wangen behalten, ſo wird der Zug deiner Jugend dir Freude machen im Alter; aber wirſt du dieſe ſanfte Unſchuld deines Herzens der Kuͤhnheit dei- nes anwachſenden Muths aufopfern — wird dein blitzendes Auge einſt ſich nicht mehr niederſchla- gen, nicht mehr Thraͤnen fallen laſſen; wird dei- ne Wange nicht mehr erroͤthen, beym Anblick deſſen, was unrecht und ſchaͤndlich iſt, Juͤngling! dann wirſt du ob dieſer Stelle weinen, oder ſie vielleicht nicht mehr werth achten, ſie zu leſen. In dieſem Augenblick mußte mir natuͤrlich der Gedanke auffallen: Wie weit darf ein ſittlicher Schriftſteller das Laſter mahlen? Darf mein Mund ausſprechen, was Hogarth und ** ge- mahlt haben? Ausſprechen das Thun dieſer Men- ſchen, die ich ohne Bedenken vom Pinſel und vom Grabſtichel gemahlt ſehe? Mein Gefuͤhl beht zuruͤcke, wenn ich’s in Worte bringe und aus- ſpreche, das Thun dieſer Menſchen, und ich ſehe mich um, ob mich Niemand hoͤre. Aber das Bild des Mahlers ſeh ich hingelehnt am Arme des Beſten, des Edelſten, und ſcheue mich nicht. Die Zunge des Menſchen, ſein Mund, ſind enger mit dem Gefuͤhl ſeines Herzens verbunden, als ſeine Hand. Die Kunſt, die mit Hand und Und
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Und ſie brummte noch von Joſephs Thalern,
und von der Dummheit ihres Manns; er aber
ſchlummerte, ſchnarchte, wußte nicht, was er that.
Endlich kamen beyde am heiligen Abend zur Ruhe.
Und
Wangen behalten, ſo wird der Zug deiner Jugend
dir Freude machen im Alter; aber wirſt du dieſe
ſanfte Unſchuld deines Herzens der Kuͤhnheit dei-
nes anwachſenden Muths aufopfern — wird dein
blitzendes Auge einſt ſich nicht mehr niederſchla-
gen, nicht mehr Thraͤnen fallen laſſen; wird dei-
ne Wange nicht mehr erroͤthen, beym Anblick
deſſen, was unrecht und ſchaͤndlich iſt, Juͤngling!
dann wirſt du ob dieſer Stelle weinen, oder ſie
vielleicht nicht mehr werth achten, ſie zu leſen.
In dieſem Augenblick mußte mir natuͤrlich der
Gedanke auffallen: Wie weit darf ein ſittlicher
Schriftſteller das Laſter mahlen? Darf mein
Mund ausſprechen, was Hogarth und ** ge-
mahlt haben? Ausſprechen das Thun dieſer Men-
ſchen, die ich ohne Bedenken vom Pinſel und
vom Grabſtichel gemahlt ſehe? Mein Gefuͤhl beht
zuruͤcke, wenn ich’s in Worte bringe und aus-
ſpreche, das Thun dieſer Menſchen, und ich ſehe
mich um, ob mich Niemand hoͤre. Aber das
Bild des Mahlers ſeh ich hingelehnt am Arme des
Beſten, des Edelſten, und ſcheue mich nicht.
Die Zunge des Menſchen, ſein Mund, ſind
enger mit dem Gefuͤhl ſeines Herzens verbunden,
als ſeine Hand. Die Kunſt, die mit Hand und
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Zitationshilfe: | [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/189>, abgerufen am 16.07.2024. |