§. 29. Fortsetzung, wie Schelmen mit einander reden und handeln.
Bist du auch unter den Sündern? Ich dachte, du seyst, seit deinem Beruf an die Kirchmauer, auf einmal heilig geworden, so wie unser Metzger, als er einst eine Woche für den Siegrist Mittag läuten mußte.
Michel. Nein, Vogt! Meine Bekehrung geht nicht so blitzschnell; aber wenn's einmal angeht, so lasse ich dann nicht nach.
Vogt. Ich möchte dann dein Beichtiger seyn, Michel!
Michel. Ich mag dich aber nicht hiezu.
Vogt. Warum das?
Michel. Du würdest mir die Sünden wohl doppelt machen mit deiner heiligen Kreiden.
Vogt. Wäre dir das nicht recht?
Michel. Nein, Vogt! Ich will einen Beich- tiger haben, der die Sünden verzeiht und nachläßt, und nicht einen, der sie aufkreidet.
Vogt. Ich kann auch Sünden verzeihen und nachlassen.
Michel.
§. 29. Fortſetzung, wie Schelmen mit einander reden und handeln.
Biſt du auch unter den Suͤndern? Ich dachte, du ſeyſt, ſeit deinem Beruf an die Kirchmauer, auf einmal heilig geworden, ſo wie unſer Metzger, als er einſt eine Woche fuͤr den Siegriſt Mittag laͤuten mußte.
Michel. Nein, Vogt! Meine Bekehrung geht nicht ſo blitzſchnell; aber wenn’s einmal angeht, ſo laſſe ich dann nicht nach.
Vogt. Ich moͤchte dann dein Beichtiger ſeyn, Michel!
Michel. Ich mag dich aber nicht hiezu.
Vogt. Warum das?
Michel. Du wuͤrdeſt mir die Suͤnden wohl doppelt machen mit deiner heiligen Kreiden.
Vogt. Waͤre dir das nicht recht?
Michel. Nein, Vogt! Ich will einen Beich- tiger haben, der die Suͤnden verzeiht und nachlaͤßt, und nicht einen, der ſie aufkreidet.
Vogt. Ich kann auch Suͤnden verzeihen und nachlaſſen.
Michel.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0175"n="150"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>§. 29.<lb/><hirendition="#b">Fortſetzung, wie Schelmen mit einander<lb/>
reden und handeln.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">B</hi>iſt du auch unter den Suͤndern? Ich dachte,<lb/>
du ſeyſt, ſeit deinem Beruf an die Kirchmauer, auf<lb/>
einmal heilig geworden, ſo wie unſer Metzger,<lb/>
als er einſt eine Woche fuͤr den Siegriſt Mittag<lb/>
laͤuten mußte.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Michel.</hi> Nein, Vogt! Meine Bekehrung geht<lb/>
nicht ſo blitzſchnell; aber wenn’s einmal angeht,<lb/>ſo laſſe ich dann nicht nach.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Ich moͤchte dann dein Beichtiger ſeyn,<lb/>
Michel!</p><lb/><p><hirendition="#fr">Michel.</hi> Ich mag dich aber nicht hiezu.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Warum das?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Michel.</hi> Du wuͤrdeſt mir die Suͤnden wohl<lb/>
doppelt machen mit deiner heiligen Kreiden.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Waͤre dir das nicht recht?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Michel.</hi> Nein, Vogt! Ich will einen Beich-<lb/>
tiger haben, der die Suͤnden verzeiht und nachlaͤßt,<lb/>
und nicht einen, der ſie aufkreidet.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vogt.</hi> Ich kann auch Suͤnden verzeihen und<lb/>
nachlaſſen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Michel.</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[150/0175]
§. 29.
Fortſetzung, wie Schelmen mit einander
reden und handeln.
Biſt du auch unter den Suͤndern? Ich dachte,
du ſeyſt, ſeit deinem Beruf an die Kirchmauer, auf
einmal heilig geworden, ſo wie unſer Metzger,
als er einſt eine Woche fuͤr den Siegriſt Mittag
laͤuten mußte.
Michel. Nein, Vogt! Meine Bekehrung geht
nicht ſo blitzſchnell; aber wenn’s einmal angeht,
ſo laſſe ich dann nicht nach.
Vogt. Ich moͤchte dann dein Beichtiger ſeyn,
Michel!
Michel. Ich mag dich aber nicht hiezu.
Vogt. Warum das?
Michel. Du wuͤrdeſt mir die Suͤnden wohl
doppelt machen mit deiner heiligen Kreiden.
Vogt. Waͤre dir das nicht recht?
Michel. Nein, Vogt! Ich will einen Beich-
tiger haben, der die Suͤnden verzeiht und nachlaͤßt,
und nicht einen, der ſie aufkreidet.
Vogt. Ich kann auch Suͤnden verzeihen und
nachlaſſen.
Michel.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/175>, abgerufen am 23.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.